Der Begriff Nachhaltigkeit ist kein modernes Kunstwort: Bereits 1713 fordert das Schriftstück „Sylvicultura Oeconomica“ von Hans Carl von Carlowitz zur Forstwirtschaft eine nachhaltige Waldnutzung, in der nur so viel Holz geschlagen werden soll, wie auch tatsächlich nachwachen kann (vgl. Ninck 1997: 42). Doch das Wort war in der Öffentlichkeit wohl kaum so präsent wie heute. Der Begriff zieht sich durch alle Medien und Branchen, durch politische Debatten und wissenschaftliche Studien: Vom nachhaltigen Bau der Kindertagesstätte, dem nachhaltigen Führungsstil des Managements über nachhaltigen Tourismus mit E-Bikes und Öko-Camping bis zur kulturellen Nachhaltigkeit und Biosphären.
Offen bleibt dabei aber häufig, was mit Nachhaltigkeit eigentlich gemeint ist. Worte sind geduldig und sie lassen sich dehnen. Und oft scheint es jenen, die von Nachhaltigkeit sprechen, gar nicht so notwendig, den Begriff greifbar oder konkreter zu machen – solange er nur seinem Zweck dient, als grünes Label beim Betrachter ein positives Gefühl des Besser-Machens zu generieren. Was effektiv bleibt, ist ein Gummiwort mit positivem Tenor, dessen Bedeutung und dahinterliegendes Konzept nebulös und schwammig bleiben.
Hilfreich ist das nicht. Denn der wesentliche Grundgedanke der Nachhaltigkeit liegt im Handeln. Um aber Veränderungen im Verhalten umzusetzen, braucht es Greifbarkeit und Transparenz als erfolgsentscheidende Faktoren. Unklare, kryptische Formulierungen in Form „guter Worte“ sind nicht zweckdienlich. Vielmehr muss ein Terminus für den entsprechenden Kontext definiert werden, um dadurch ein solides Fundament für weiteres Handeln zu schaffen.
Was bedeutet Nachhaltigkeit (für Unternehmen)?
Der Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages beschreibt die Grundidee der Nachhaltigkeit so: Ein System, das überlebt, langfristig Bestand hat und seine Stabilität dadurch erhält, dass die Nutzungsrate seiner Ressourcen unterhalb der natürlichen Erneuerungsrate liegt. (vgl. Petschow 1998: 22) Während also 1713 noch gesagt wurde „Fälle nur so viel Bäume wie nachwachsen können“, geht der Leitgedanke heute sogar noch weiter: „Fälle weniger Bäume wie nachwachsen können und gib dem Wald dadurch die Möglichkeit, auch das Holz zu regenerieren, das seit Jahren im Übermaß geschlagen wurde.“ Diese Schlussfolgerung ist die logische Folge der wissenschaftlichen und ökonomischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte. Einfach ist die Umsetzung dieser Idee aber nicht – auch deshalb, weil die Zusammenhänge in Bezug auf Unternehmen sehr komplex sind.
Das Drei-Säulen-Modell
Um diese Beziehungen zu beschreiben, wird oft das Drei-Säulen-Modell verwendet. Als integrativer Ansatz soll es eine ganzheitliche Nachhaltigkeitspolitik gewährleisten. Dabei wird das Gesamtsystem „Nachhaltige Entwicklung“ von drei Säulen getragen:
1. Die ökologische Nachhaltigkeit, die sich auf die Belastbarkeit der Natur bezieht
2. Die ökonomische Nachhaltigkeit, die sich auf die Volkswirtschaft insgesamt bezieht und damit auch auf die einzelnen Branchen und Unternehmen
3. Die soziale Nachhaltigkeit, die auf eine Sicherung der Grundbedürfnisse und Verteilungsgerechtigkeit abzielt, bezogen auf gegenwärtige und zukünftige Generationen (vgl. Petschow et. At. 1998: 24-26).
Obwohl jede der drei Säulen ein einzelnes Teilsystem ist, stehen sie in Wechselwirkung zueinander und sind voneinander abhängig. D. h., alle drei Säulen sind gleichberechtigte Stützen, die das „Dach“ der Nachhaltigkeit für das Gesamtsystem sichern. Wird eine Säule vernachlässigt oder fällt sie ganz weg, gehen Stabilität und Balance verloren.
Dieses weit verbreitete Modell illustriert die Problematik. Es wird sich im Verlauf der Blog-Serie aber noch zeigen, dass das Drei-Säulen-Modell einige Aspekte auslässt und deshalb nicht ausreichend ist für einen ganzheitlichen, praktischen Veränderungsprozess für Unternehmen.
Für Unternehmen wie auch für Privatpersonen, die nachhaltig handeln wollen, ist es entscheidend, sich das Leitmotiv der nachhaltigen Entwicklung zu verinnerlichen:
„Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ (zit. n. Ninck 1997: 50)
Dieses Zitat aus dem Brundtland-Bericht 1987 der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ist eigentlich nichts Neues. Ein Blick auf die Ausgangslage zeigt, dass die meisten deutschen Unternehmen zwar handeln wollen, es jedoch nicht oder nur sehr ungenügend tun. Das führt dazu, dass die dringend notwendigen Veränderungen nicht zustande kommen. Obwohl einige Aktivitäten zur Nachhaltigkeit umgesetzt werden, agieren die allerwenigsten Unternehmen im engeren Sinne nachhaltig, d. h. so, dass sie keine „Spuren“ hinterlassen. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein:
- Die Frage nach dem „Wie“: Vielen Unternehmen fällt es schwer, ganzheitliche, nachhaltige Konzepte in ihr Arbeiten zu integrieren. Dies liegt u. a. an der Komplexität der Thematik. Diese beginnt mit der Konzeptbestimmung und endet bei der praktischen Umsetzung.
- Keine Zeit: Das tägliche Agieren und die „eigenen“ Probleme fordern viele Unternehmen derart, dass Kapazitäten für die Ausarbeitung eines ausgereiften Nachhaltigkeits-Konzeptes fehlen. Die Schnelllebigkeit der Geschäftswelt verlangt rasche Reaktionen. Dabei bleibt keine Zeit, alle Aspekte nachhaltiger Entwicklung zu integrieren. Besonders dann nicht, wenn es kein festes Vorgehensmodell oder Leitplanken für Handlungen gibt.
- Probleme mit der Langfristigkeit: Erschwert wird dies zusätzlich dadurch, dass ein langfristig orientiertes Arbeiten vielen Unternehmen unter dem anualen Druck von Produktivität, Effizienzsteigerung und Wirtschaftlichkeit schwer fällt. Nachhaltige Entwicklung verlangt Planung, die „langfristiger“ ist als normal. Folgt man dem oben genannten Leitmotiv, geht es nicht nur um Jahrzehnte, sonder um Generationen. Durch diese Zeitspannen verliert der Entscheidungsträger „Mensch“ schlichtweg den persönlichen Bezug.
- Andere Prioritäten: Wirtschaftlichkeit ist der entscheidende Faktor, der bei Handlungen vorgezogen wird. Unternehmen stehen auf interner Ebene vor zahlreichen Herausforderungen. Außerdem wird Nachhaltigkeit immer noch als ein negativer, kostenintensiver Aspekt aufgefasst, der zudem mit Sanktionen verbunden ist. Zu Unrecht, wie sich in Folge 4 unserer Serie zeigen wird.
- Probleme beim Abschätzen der Folgen: In Sachen Nachhaltigkeit lässt sich oft schwer kalkulieren, welche Folgen bzw. welchen konkreten Wert das „Handeln heute“ später einmal hat. Das Thema scheint zu komplex.
- Angst vor dem „Mehraufwand“: Die Entscheidung, Nachhaltigkeit langfristig und effektiv zu integrieren, erscheint dadurch meist als abschreckende und nicht zu meisternde Hürde, die mit großem Mehraufwand verbunden ist. Das Thema Nachhaltigkeit ist komplex, so dass es viel Einarbeitungszeit bedarf, sich damit auseinanderzusetzen, eine Wissensbasis und anschließende Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Im Unternehmensalltag gibt es genug zu tun und die Kapazitäten sind ausgeschöpft.
Will man Nachhaltigkeit umsetzen, muss das Unternehmen zunächst den Leitgedanke verinnerlichen. Hier muss man seine eigene Definition des Terminus festsetzen: Was verstehen wir unter Nachhaltigkeit? Was bedeutet es für uns? Dies schafft eine Basis für ein ganzheitliches Konzept mit Leitplanken, Handlungsmaßstäben, Zielsetzungen etc. Hier können Sie ruhig persönlich werden mit Aussagen wie „unsere Enkel“, um Bezug zu schaffen.
Exkurs: CSR und Nachhaltigkeit
Immer häufiger werben Unternehmen mit der gewinnbringenden Botschaft der Corporate Social Responsibility (CSR). Ziel ist dabei, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen, sich von anderen Unternehmen abzuheben und gleichzeitig der gestiegenen öffentlichen Forderung nach Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Die beiden Begriffe, Nachhaltigkeit und CSR, sind nicht dasselbe.
CSR hat sich in seiner definitorischen Bedeutung in den letzten Jahren stark verändert und ähnlich wie beim Terminus „Nachhaltigkeit“ gibt es keine länderübergreifende, einheitliche Definition. Vor einigen Jahren noch beschränkte sich CSR auf die soziale Verantwortung im regionalen Umfeld des Unternehmens – ein Konzept, das mittlerweile die Bezeichnung Corporate Citizenship trägt. Die Bedeutung von CSR selbst hat sich laut dem Grünbuch der Europäischen Kommission (vgl. KOM 2001: 7) ausgeweitet: Neben der sozialen Dimension ist auch eine umweltbezogene hinzugekommen, die zudem durch eine ökonomische Dimension ergänzt wird.
Christian Molinari (2012) schreibt, CSR sei eine auf Nachhaltigkeit fokussierte Entwicklung, die den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, ohne das Vermögen zukünftiger Generationen zu gefährden, ihren eigenen Bedürfnissen nachzukommen. CSR konzentriere sich nicht nur auf den Gewinn, sondern auf den dreifachen Schwerpunkt von Sozialem, Ökologischem und Ökonomischem: auf Mensch, Planet und Profit oder im Englischen „three ‘P’s’ – people, planet and profit“.
Diese Begriffsbestimmung erinnert stark an das anfangs beschriebene Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit. Auch CSR zielt mit seinen Aktivitäten darauf ab, ein regenerierbares System zu schaffen, das in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und dessen Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann. Dennoch unterscheidet es sich vom Terminus der Nachhaltigkeit dadurch, dass CSR auf das Unternehmen an sich fokussiert. Nachhaltigkeit, wie sie in dieser Serie verstanden wird, geht dabei einen Schritt weiter und blickt über den Tellerrand hinaus. Sie betrachtet das gesamte System, innerhalb dessen das Teilsystem „Unternehmen“ in Bezug zum großen Ganzen gesehen wird, insbesondere bleiben bei CSR unsere Gemeingüter unberücksichtigt. Diese Sichtweise beginnt beim Unternehmen und endet bei der Aufmerksamkeit für die globalen Zusammenhänge. Damit kann gesagt werden: In Bezug auf Nachhaltigkeit in Unternehmen ist CSR ein Teilbereich, der aber eben nicht dem gesamten relevanten Umfang Rechnung schuldet.
„Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 2): Zustand und Folgen für Unternehmen“ zeigt Wirkung und Beispiele auf ökonomischer Ebene auf.
Quellen:
KOM (2001): Grünbuch. Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen. Brüssel: Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Online: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/committees/deve/20020122/com%282001%29366_de.pdf
Molinari, Christian (2012): „CSR – much more than marketing, a strategic move.“ In: Business News Americas. Online: http://www.bnamericas.com/opinion_piece.jsp?idioma=I¬icia=1511371
Ninck, Mathias (1997): Zauberwort Nachhaltigkeit. Zürich: vdf.
Petschow, Ulrich et. al. (1998): Nachhaltigkeit und Globalisierung. Herausforderungen und Handlungsansätze. Hrsg.: Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“. Heidelberg: Springer-Verlag.
Artikelbild: picjumbo.com
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