Dr. Jakob Assmann ist Mitgründer von Polarstern. Der unabhängige Ökoenergieversorger bietet bundesweit Wirklich Ökostrom aus 100 % deutscher Wasserkraft und Wirklich Ökogas aus 100 % organischen Reststoffen – und treibt die Energiewende weltweit voran. Vor Polarstern war Dr. Jakob Assmann wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Information, Organisation und Management der LMU München. Er ist als drittes von sechs Kindern in München geboren und aufgewachsen, staatlich geprüfter Fischer und liebt die Berge.
Im Interview spricht Dr. Jakob Assmann, Geschäftsführer von Polarstern, über die Energiewende, Stromkosten, erneuerbare Energie und nachhaltige Entwicklung.
Florian: Gefühlt kommt die Energiewende nicht voran: Es fehlen die Stromtrassen, die Kohlestrom-Produktion ist auf Rekordhoch, in der Politik wird heiß über EEG diskutiert und die horrenden Atom- und Kohlestrom Subventionen bleiben unangetastet. Woran hängt es Deiner Meinung nach? Oder funktioniert die Energiewende bereits und vieles ist nur Medienmache gegen erneuerbare Energien?
Jakob: Ich denke, die Energiewende kommt im Strommarkt ganz gut voran; da wird auch viel schlechtgeredet. Aber wir müssen sie natürlich zu Ende gehen, und das ist noch mal eine ganz andere Nummer. Was im Moment wirklich nicht voran kommt, ist die Energiewende im Wärmemarkt; hier stehen wir noch völlig am Anfang, obwohl die privaten Haushalte für Wärme viel mehr Energie brauchen als für Strom. Ungefähr 80% des privaten Energiebedarfs fällt aufs Heizen und Warmwassernutzung. Deshalb müssen wir ein Bewusstsein schaffen, dass die Energiewende nicht nur eine Stromwende ist. Ökostrom ist nur der erste Schritt; das Ökogas muss folgen.
Florian: Jetzt im Juni berät der Bundestag über das neue EEG-Gesetz, das am 1. August in Kraft treten soll. Was ändert sich im Wesentlichen, was wird besser und was wird schlechter aus Sicht der Privatpersonen, die sich eine nachhaltigere Entwicklung wünschen?
Jakob: Für eine Privatperson, die nicht tief im Energiethema steckt, ist es schwer zu verstehen, was sich ändert. Selbst Experten sind sich ja uneinig über die konkreten Auswirkungen. Und man muss erst mal abwarten, was letztendlich beschlossen wird, und ob die EEG-Novelle überhaupt in Kraft tritt. Im Moment sieht es nämlich fast danach aus, dass Brüssel sie noch kippt. Aber klar ist: Unter den neuen Rahmenbedingungen wird es immer schwerer, die Energiewende voranzutreiben. Jetzt gilt es, neue schlanke Geschäftsmodelle und -prozesse aufzusetzen, die es dennoch schaffen die Erneuerbaren Energien auszubauen und dabei finanziell erfolgreich sind. Ich bin da ganz optimistisch, dass das gelingt. Für das Gelingen der Energiewende sind aber auch die privaten Haushalte ganz entscheidend. Jeder Wechsel zu Ökoenergie ist auch immer ein Signal an die Politik, dass die Energiewende auch wirklich gewollt ist.
Florian: Viele Menschen sind der Meinung, dass Strom aus erneuerbarer Energie viel teurer ist als Atomstrom oder Kohlestrom. Woher stammt dieser Irrtum über die Energiekosten? Ist Ökostrom wirklich teurer?
Jakob: Nein, Ökostrom ist nicht teurer. Für viele wirkt es aber so, weil die Förderung von erneuerbaren Energien konkret im Strompreis ausgewiesen ist. Dahinter steckt natürlich politisches Kalkül. Die direkte Förderung von Atom- oder Kohlestrom über den Strompreis ließe sich kaum vermitteln; also muss der Ökostrom herhalten. Für Verbraucher entsteht da natürlich ein falsches Bild. Faktisch geben sie viel mehr für die Förderung von Kohle- und Atomstrom aus, nämlich über Steuern. Zum Vergleich: seit 1970 wurde in Deutschland Atomstrom mit über 200 Mrd. € Steuergeldern subventioniert, Strom aus Stein- und Braunkohle mit insgesamt ca. 400 Mrd., die Erneuerbaren aber nur mit 67 Mrd. So ist Ökoenergie am Ende am günstigsten. Für den Endverbraucher gibt es zwischen wirklich nachhaltigem Ökostrom und konventionellem Strom sowieso keine Preisunterschiede mehr.
Florian: Kannst Du uns praktische Tipps geben, auf die man bei einem Wechsel achten sollte, um nicht beim vermeintlich billigeren, sondern beim besseren Anbieter zu landen?
Jakob: Wenn ein Anbieter eklatant günstiger ist als alle andere, sollte man lieber die Finger davon lassen; der Anbieter kann das Versprechen nicht halten. Beliebte Tricks sind z.B. Bezahlung durch Vorkasse, billige Abschläge für die ersten Monate, Boni oder Paketpreise. Natürlich holen sich die Anbieter das Geld irgendwann zurück – und langen dann richtig zu! Lieber darauf achten, dass der Anbieter schon auf der Homepage transparent macht, wie sich die Preise zusammensetzen; und dass man beim Abschlag wirklich nur bezahlt, was man auch verbraucht. Dann ist man auf der sicheren Seite.
Florian: Bei Polarstern werbt Ihr mit „Wirklich Ökostrom” und „Wirklich Ökogas“. Warum „wirklich“? Was bedeutet für Euch eine nachhaltige Energieerzeugung?
Jakob: Als wir Polarstern starteten, hießen unsere Tarife noch 100 % Ökostrom und 100 % Ökogas. Das Problem: im Ökoenergiemarkt heißen alle Tarife so, aber nur wenige halten, was sie versprechen. Beim Biogas ist das extrem. Da wird oft fossilem Erdgas 5 Prozent Biogas beigemischt und als 100 % Öko verkauft. Die Kunden werden da richtig geprellt. Uns ist wichtig, dass unsere Kunden wissen, dass sie wirklich bekommen, was sie bestellt haben. Deshalb „Wirklich“: wirklich nachhaltige Erzeugung, zu wirklich fairen Preisen und mit wirklichem Impact für die weltweite Energiewende.
Florian: Woher bekommt Ihr Euren Ökostrom und Euer Ökogas? Ist dieser auch bei einem wachsenden Kundenstamm und saisonalen Wetterschwankungen versorgungssicher?
Jakob: Auf jeden Fall! Unser Ökostrom wird aus 100 % Wasserkraft im Innkraftwerk Feldkirchen bei Rosenheim erzeugt. Durch die Nähe zu den Bergen ist die Wasserkraft des Inns ein Garant für die sichere Stromversorgung. Überzeugt haben uns aber vor allem die Umweltschutzmaßnahmen des Kraftwerks, z.B. das 5,3 Kilometer lange Umgehungsgerinne, mit dem die Fische ihre natürlichen Wanderwege beibehalten könnten.
Unser Ökogas wird dagegen in Kapsovar in Ungarn erzeugt; denn bislang gibt es nur wenige Standorte, die Ökogas aus 100 % organischen Reststoffen erzeugen. In Kaposvar werden Abfälle, die bei der Verarbeitung von Zuckerrüben anfallen, zu Ökogas vergoren. Dafür wird nichts extra angebaut, und nur vergoren, was man wirklich nicht mehr braucht. Das verstehe ich unter wirklich nachhaltig.
Florian: Hinter Polarstern stehen neben Dir noch die beiden Mitgründer Florian Henle und Simon Stadler. Was war Eure Motivation in noch recht jungem Alter Polarstern zu gründen?
Jakob: Als wir Polarstern gründeten, waren Florian, Simon und ich in ähnlichen beruflichen Situationen. Wir wollten einen Job, der wirklich etwas bewegt; erneuerbare Energien lagen da auf der Hand. Sie haben für mich einfach das größte Potenzial für wirkliche Veränderung: Am weltweiten Energiekonsum hängt ein Rattenschwanz von Problemen – vom Klimawandel bis hin zu Kriegen um fossile Rohstoffe. Erneuerbare Energien sind eine echte Chance, diese Probleme zu lindern, wenn nicht sogar zu lösen. Einen Energieversorger wir Polarstern, der mit seinen Kunden die Energiewende weltweit vorantreibt, gab es zu der Zeit noch nicht. Also haben wir ihn gegründet. Seitdem unterstützen wir gemeinsam mit unseren Kunden Familien in Kambodscha beim Bau von kleinen Biogasanlagen. Die Familien werden so unabhängig von teuren und umweltschädlichen Energieträgern; und das ist auch ein ökologischer und sozialer Gewinn für uns in Europa.
Florian: Auf der Webseite von Polarstern habt Ihr einen Menüpunkt „Bewegung“. Ihr sprecht dort über die Bewegung hin zu einer nachhaltigeren Welt. Was sind Deiner Erfahrung nach die wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung?
Jakob: Ich glaube, es ist wichtig, dass man Menschen für Nachhaltigkeit begeistert und ihnen nicht den erhobenen Zeigefinger auf die Brust setzt. Dazu gehört für mich auch, Leute in Bereichen für Nachhaltigkeit begeistern, wo das Thema bis jetzt noch keine große Rolle gespielt hat. Vor Kurzem sind wir zum Beispiel mit einem Polarstern E-Bike bei einem Motocross-Wettkampf an den Start gegangen. Das kam auch bei den Motorsport-Fans gut an. Ich glaube, viele denken immer noch, dass zum nachhaltigen Alltag eine asketische Lebensführung gehört. Und genau diese Angst müssen wir den Leuten nehmen; dass sie eben nichts an Spaß oder Freiheit einbüßen, sondern dass sie im Gegenteil einen persönlichen Gewinn haben, wenn sie umweltfreundlich, nachhaltig oder fair handeln.
Florian: Herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Jakob: Vielen Dank!
Das Interview schließt die 3-teilige Serie über den wahren Vergleich von Ökostrom, Atomstrom und Kohlestrom ab:
Teil 1: Wie versorgungssicher unser Strom ist
Teil 2: Wie sauber unser Strom wirklich ist
Teil 3: Was unser Strom wirklich kostet
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