Will man Nachhaltigkeit für Unternehmen aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachten, braucht es ein Nachhaltigkeitsmodell, das als Theoriegebilde den weiterführenden Prozess unterstützt. Ein Modell soll dabei nicht nur dazu dienen, die Zusammenhänge darzustellen und zu visualisieren. Es soll auch als theoretische Stütze und Hilfsmittel des Handelns eingesetzt werden können.
Wie bereits erwähnt wurde, ist das 3-Säulen-Modell das weit verbreitetste – nicht zuletzt deshalb, weil es die ökonomische Säule mit einbezieht und deshalb für Unternehmen Bedeutung erhält. Dennoch ist es als Grundlage einer praxisorientierten Einführung von Nachhaltigkeit nicht ausreichend. Einerseits stellt das 3-Säulen-Modell Ökonomie, Ökologie und Soziales als voneinander getrennte Bereiche dar. Andererseits wird die Stützkraft jeder Säule gleichwertig angesetzt.
Warum das 3-Säulen Modell nicht ausreicht
Das vereinende Ziel der Nachhaltigkeit ist die Schaffung eines sich selbst regenerierenden Systems, das in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und seinen Bestand auf natürliche Weise erhalten kann. Die Säulen stehen damit starker Wechselwirkung und viel mehr noch: Sie stehen in hierarchischer Beziehung. Sie bedingen sich gegenseitig und sind voneinander abhängig. Wird etwa die soziale Komponente vernachlässigt, wird sich das über kurz oder lang auch auf die ökonomische auswirken. Beispielhaft für Unternehmen bedeutet das: Entstehen soziale Spannungen und Konflikte in der Belegschaft, wirkt sich dies auf die Motivation der Mitarbeiter und damit auf die Effektivität und die Produktivität aus. Die ökologische Säule betreffend zeigen Extrembeispiele wie die BP-Deepwater-Horizon-Katastrophe 2010 und der daraus folgende öffentliche Druck, welche starken Abhängigkeiten zwischen ökologischer Verantwortung und ökonomischem Erfolg stehen.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass die drei Säulen in Wechselwirkung und Abhängigkeit zueinander stehen. Und sie müssen hierarchisch angeordnet werden, denn die Ökonomie beruht auf einer grundlegenden Basis: einer funktionierenden Umwelt. Das neue, anwendbare Nachhaltigkeitsmodell für Unternehmen trägt diesem Fakt Rechnung und knüpft gleichzeitig an die Bedürfnisse von Unternehmen an. Entsprechend müssen dafür Dimensionen betrachtet werden, die nicht nur allein den Profit fokussieren, sondern das gesamte Unternehmen einschließen. Nachhaltigkeit sollte als eine Querschnittsfunktion verstanden werden, entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Integriert werden müssen auch Lieferkette und Produktion, Mitarbeiter und Organisation sowie Produkte und Kunden.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich das „Nachhaltigkeits-Modell für Unternehmen“:
Die Grundvoraussetzung dafür, ein sich selbst regenerierendes System zu schaffen, ist die Umwelt. Sie ist essentiell und durch nichts zu ersetzen: Eine funktionierende Umwelt, also ein „gesunder Planet“, ist die Prämisse für jedes (Über)Leben – auch das der Unternehmen. Sind die Ozeane übersäuert, das Frischwasser knapp, die bekannten Ressourcen aufgebraucht, die Ozonschicht zerstört und die nahrhaften Böden verschmutzt, schwindet auch die wirtschaftliche Grundlage der Unternehmen. In der Praxis bedeutet dies ein Umdenken: Die Aufmerksamkeit wird bewusst auf die ökologische Komponente gelenkt werden, die sich im gesamten Handeln widerspiegeln muss. Dies bedeutet z. B., dass es nicht darum geht, die Gewinne zum Guten zu verwenden, sondern bereits die Art und Weise der Gewinnerzielung so zu verändern, dass sich auch die Ökologie in allem ökonomischen und im sozialen Handeln widerspiegelt. Der Schutz der natürlichen Lebensbedingungen, also der Umwelt, ist die Grundvoraussetzung für ökonomische und soziale Stabilität. Damit ist für ein wahrlich nachhaltiges Handeln das oberste Ziel, die Naturressourcen nicht zu erschöpfen. Das unternehmerische Handeln muss also im Einklang mit der Natur und den natürlichen Ressourcen stehen – und nicht auf illusorisch unendlicher Ressourcen- und Reproduktions-Kapazität. Um es mit Darwins Worten zu sagen: „Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.“
Innerhalb der Umweltdimension steht das Umfeld, das durch die zwei Dimensionen Ökologie und Soziales beeinflusst wird: Die ökologischen Aspekte ergeben sich, weil das Umfeld ein Teilsystem der Umwelt ist; die sozialen Aspekte, weil es über die Mitarbeiter, der umliegenden Region (Standort), Kunden und weitere Stakeholder die Brücke zwischen Ökologie und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens schlägt. Gemeint ist hier das Umfeld des Unternehmens, also alle sozialen Tätigkeiten mit Rücksicht auf die Umweltkomponente, die über die eigentlichen Kerngeschäftsprozesse hinausgehen. Das Umfeld umschließt damit all jene Personen und Gruppen, mit denen das Unternehmen in Kontakt steht, sei es durch Interaktion, wechselseitige Einflussnahme oder allein deshalb, weil es innerhalb eines Systems (z. B. der Gesellschaft) arbeitet. Dies betrifft sowohl Aktionen im regionalen, geografischen Umfeld als auch im wirtschaftlichen Umfeld, etwa in Verbänden, Politik und Kooperationen. Für Unternehmen ist diese soziale Komponente deshalb wichtig, weil sie direkte Einfluss auf den ökonomischen Erfolg hat. Das Unternehmen steht mit allen Handlungen (von Verkauf und Marketing bis Employer Branding) und seinem Image damit in Wechselwirkung. Ist die Funktionalität und Stabilität des gesellschaftlichen Umfelds gefährdet, leidet auch diese Interaktion.
Die nächste Dimension, die sich nun direkt auf das Unternehmen bezieht, ist die Wirtschaftlichkeit, d. h. das ökologische und sozial nachhaltige Wirtschaften in Bezug auf die Kerngeschäftsprozesse. Innerhalb dieser Dimension befinden sich drei weitere Unterdimensionen: „Lieferkette und Produktion“, „Mitarbeiter und Organisation“ sowie „Produkt und Kunden“. Alle Bereiche sind wiederum in Zusammenhang mit der Umwelt- und Umfelddimension zu betrachten und auch auf ihre wechselseitige Wirkung hin einzuschätzen und abzuwägen. Es muss betont werden, dass mit der Wirtschaftlichkeitsdimension nicht allein die ökonomische Komponente im Sinne einer Gewinnoptimierung gemeint ist. Weitgreifender gilt es, ein effizientes Verhältnis zu erreichen, das unternehmensinterne und -externe Dimensionen mit einbezieht und dadurch eine Verbindung zwischen ihnen schafft. Wie genau sich dies in der Praxis umsetzen lässt, wird im weiteren Verlauf der Serie noch deutlich werden. Ebenso ist der Beitrag über „Effizienz und Siffizienz“ (siehe Folge 3) an dieser Stelle empfehlenswert.
Die Dimension „Lieferkette und Produktion“ bezieht sich auf den gesamten Entstehungsprozess der Kerntätigkeit, z. B. der Rohstoffbeschaffung und -weiterverarbeitung bei produzierenden Unternehmen. „Mitarbeiter und Organisation“ meint die organisatorische und personelle Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen, etwa durch Mitarbeiter-Initiativen oder betrieblichen Umweltschutz. Auch die kulturelle Verankerung, die Einbindung innerhalb der Organisation und das soziale Engagement sind hier relevant. „Produkte und Kunden“ schließlich zielt auf ein nachhaltiges Wirken innerhalb der Produkt-Lebenszeit sowie darüber hinaus ab, d. h. auf den gesamten Produktlebenszyklus bis hin zur Entsorgung durch den Kunden und das Recycling.
Auch hier beeinflussen sich diese Unterdimensionen gegenseitig: Wird etwa auf faires und ökologisches Handeln bei der Rohstoffbeschaffung geachtet, wirkt sich der Verkauf eines nachhaltigen Produktes positiv auf die Mitarbeiter, die Kunden, die Arbeitgeberattraktivität und das Unternehmens-Image aus. Lesen Sie hier noch mal welche unternehmerischen Chancen (siehe Folge 4 und Folge 5) mit nachhaltigem Handeln einhergehen.
Folge 7 thematisiert das praktische Vorgehen nach dem 3×3-Modell.
Über die Serie „Handbuch Nachhaltigkeit: Die gute Absicht praktisch umsetzen“:
Schon lange beschäftigen wir uns privat wie beruflich mit Nachhaltigkeit. Durch die Erfahrungen und die Arbeit in der Unternehmensberatung ist uns klar geworden, dass es für Unternehmen oft schwierig ist, die gute Absicht praktisch umzusetzen. Wir haben deshalb einen Leitfaden entwickelt, der als Werkzeug für nachhaltiges Handeln dienen soll und den wir hier als Serie veröffentlichen.
Bisher erschienen sind:
Das Nachhaltigkeitshandbuch – Die gute Absicht praktisch umsetzen (Serienstart)
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 1): Definition und Bedeutung
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 2): Zustand und Folgen für Unternehmen
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 3): Suffizienz, Effizienz und der Reboud-Effekt
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 4): Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 5): CSR als effektives Werkzeug
[…] Wir haben deshalb ein Modell entwickelt, das Nachhaltigkeit aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet und an die unternehmerischen Facetten integriert. Folge 6 behandelt das efeno Nachhaltigkeits-Modell. […]
[…] Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 6): Das Efeno Nachhaltigkeits-Modell für Unternehmen […]
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[…] „Umwelt“, „Umfeld“ und „Wirtschaftlichkeit“ dar, die wir in unserem efeno Nachhaltigkeits-Modell erläutert haben. Es handelt sich dabei also um eine Eigenanalyse, bei der selbstverständlich die […]