Damit Nachhaltigkeit als Prozess ganzheitlich greifen kann, muss den Menschen dessen Notwendigkeit und Bedeutung für das Unternehmen deutlich gemacht werden. Wie unternehmensintern Bewusstsein geschaffen werden kann, wurde bereits behandelt. Nun soll es – nach dem Exkurs zu Change Management – um den unternehmensexternen Bereich gehen.
Bevor sich die Frage nach den Inhalten stellt, um damit extern Bewusstsein zu schaffen, sollten die Stakeholder bekannt sein. Wie im Exkurs Change Management aufgezeigt wurde, ist ein stufenweises und zielgruppengerechtes Vorgehen empfehlenswert.
Um rauszufinden, wer die eigenen Stakeholder sind, helfen die nachfolgenden Fragen (vgl. Kerth, K. und Pütmann, R.):
- Welche Gruppierungen nehmen formell oder informell Einfluss auf die Formulierung der Unternehmenspolitik bzw. – strategie (z.B. Vorstand, Aufsichtsrat)?
- Existieren Gruppierungen, von denen das Unternehmen täglich abhängt, die aber im Gegenzug an der Entwicklung des Unternehmens interessiert sind (z.B. Lieferanten, Kunden, Banken)?
- Gibt es Gruppierungen, von denen Aktionen in Zusammenhang mit der Unternehmenspolitik ausgehen können (z.B. Gewerkschaften)?
- Bestehen enge Beziehungen zu Organisationen, die das Unternehmen beeinflussen (z.B. Verbände, Arbeitnehmervertretungen)?
- Welche Gruppierungen haben Interessen am Unternehmen und seinen Geschäften (z.B. Kartellbehörde, Finanzamt)
- Gibt es Gruppierungen, die in Bezug auf die Unternehmenspolitik Aufmerksamkeit erregen können (z.B. Bürgerinitiativen, Aktionärsschützer)?
- Gibt es Gruppierungen, die sich aus demografischen Kriterien ableiten lassen (z.B. Aufsichtsämter bzgl. Jugendschutz, Gleichbehandlung)?
Die externe Kommunikation und deren Inhalte sollten stets auf Transparenz und Authentizität beruhen (mehr Information zu Kommunikationsstrategien werden wir später in der Serie noch aufgreifen). Dazu gehört auch der Mut, Schwächen darzulegen oder unangenehme Informationen preiszugeben, die sonst lieber verschwiegen werden.
Unternehmen haben hier häufig Angst vor Imageverlust oder negativen Auswirkungen. Gerade aber diese Strategie, nicht bewältigte Probleme darzustellen, sorgt für Glaubwürdigkeit und eine authentische Darstellung. Riskant ist es im Gegenteil eher, bekannte Schwächen zu verschweigen. Wenn diese später über andere Quellen publik werden, entsteht schnell der Eindruck von Greenwashing (auch auf diesen Aspekt werden wir im Verlauf der Serie noch genauer eingehen).
Ein Beispiel für ungewöhnlich transparente Berichterstattung präsentierte Puma in seiner Geschäftsbilanz 2010: Der Sportriese veröffentlichte als weltweit erster Konzern die Umweltkosten seiner gesamten Wertschöpfungskette, also des Unternehmens sowie seiner Zulieferer (siehe Artikel in der taz). Eingerechnet wurde dabei der CO2-Ausstoß und Wasserverbrauch, sowie die sozialen Kosten des Wasserverbrauchs, die z. B. in wasserarmen Regionen durch den Trinkwasserverbrauch sehr hoch sind. Das Ergebnis: 7,8 Millionen Euro betragen die Umweltkosten des Konzerns, 87,2 Millionen Euro die der Zulieferer. Der Großteil der Umweltkosten entsteht durch Stickereien, die chemische Industrie und die Baumwollproduktion. Der Konzern kündigte an, mit diesem Wissen zukünftige Umweltauswirkungen zu reduzieren. Unabhängig von der Überprüfbarkeit der Zahlen und der Kritik, Puma hätte den Bericht allein aus Werbezwecken veröffentlicht, hat der Konzern mit dieser Veröffentlichung eine Pionierleistung erbracht und unternehmensextern Bewusstsein geschafft.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „Bewusstsein schaffen“ der erste, grundlegende Vorgehensschritt ist, der die Phase „Gestalten“ einleitet. Dennoch endet dieser Schritt nicht mit dem Beginn der nächsten Entwicklungsstufe, vielmehr bleibt er erhalten und begleitet den gesamten Prozess. Jede Kommunikation über jede Phase des Nachhaltigkeits- Konzeptes schafft Bewusstsein, sodass in diesem Fall eine Überschneidung der Phasen deutlich wird. Die strikte Trennung, die in der Grafik der Phasenschritte eingezeichnet ist, vereinfacht die visuelle Darstellung, ist aber in der Praxis so nicht vorhanden. Hilfreich ist, dass die agierenden Elemente (interne und externe Kommunikationsabteilungen, CSR-Management und Führungskräfte) einen groben Plan erstellen, wie und an welchen Eckpfeilern des gesamten Prozesses Bewusstsein geschaffen und erhalten werden kann. So kann bspw. festgelegt werden, dass nach jedem Abschluss einer Unterphase ein Bericht verfasst wird oder etwa auch, dass relevante Zwischenergebnisse begleitend während der Phasen intern bzw. extern kommuniziert werden. Ein solcher Ablaufplan dient dabei als Erinnerungsstütze, der eine kontinuierliche Kommunikation, eine Koordination und einen Austausch zwischen den Abteilungen während des laufenden Prozesses sichert.
Hier geht es weiter zur nächsten Handbuch-Folge 11: „Greenwashing – wie enttarnen und worauf es ankommt“
Über die Serie „Handbuch Nachhaltigkeit: Die gute Absicht praktisch umsetzen“:Schon lange beschäftigen wir uns privat wie beruflich mit Nachhaltigkeit. Durch die Erfahrungen und die Arbeit als Unternehmensberater ist uns klar geworden, dass es für Unternehmen oft schwierig ist, die gute Absicht praktisch umzusetzen. Wir haben deshalb einen Leitfaden entwickelt, der als Werkzeug für nachhaltiges Handeln dienen soll und den wir hier als Serie veröffentlichen.
Bisher erschienen sind:
Das Nachhaltigkeitshandbuch – Die gute Absicht praktisch umsetzen (Serienstart)
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 1): Definition und Bedeutung
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 2): Zustand und Folgen für Unternehmen
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 3): Suffizienz, Effizienz und der Reboud-Effekt
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 4): Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 5): CSR als effektives Werkzeug
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 6): Das Nachhaltigkeits-Modell für Unternehmen
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 7): Das 3×3 Modell zum praktischen Vorgehen für Unternehmen
Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 8): Phase 1.1 Bewusstsein im Unternehmen schaffen
Quelle:
Kerth, K. und Pütmann, R. (2005): Die besten Strategietools in der Praxis
Artikelbild: unsplash.com
Ich lese Euer Handbuch Nachhaltigkeit seit der ersten Folge.
Grundsaetzlich eine sehr schoene Serie, die viele gute und richtige Ansaetze aufzeigt.
Beim Lesen, insbesondere auf die „fortgeschritteneren“ Folgen bezogen, bleibt fuer meinen Geschmack aber zu oft die Frage nach der neuen Erkenntnis offen. Fuer Leser, die sich halbwegs regelmaessig mit dem Thema auseinandersetzen oder Menschen mit einem mittelmaessig ausgebildetem Menschenverstand sind oft nur die logischen Grundlagen beschrieben, ohne dass etwas Neues diskutiert wird, das einem das Gefuehl gibt, einen Mehrwert durch das Lesen erhalten zu haben.
Mosern ist natuerlich immer einfacher, als es selbst besser zu machen. Trotzdem hoffe ich, dass der Kommentar konstruktiv aufgefasst wird und je nach Zeit und Moeglichkeit der Schreiber vielleicht zu einer kleinen Mehrleistung anregt.
Viele Gruesse,
M.
Danke sehr für das Feedback. Entschuldige bitte die späte Rückmeldung aufgrund der Winterpause und dem Relaunch.
Bis inklusive Folge 6 war es eine Einleitung. Unser Anspruch war hierbei eine umfassende und kompakte Zusammenfassung einer durchaus komplexen Materie. Für Erfahrene waren hier „Überraschungen“ schwerer.
Wir nehmen das Feedback aber gerne auf. Denn das „echte“ Handbuch im Sinne des Umsetzungsprozesses ist gerade erst losgegangen: Es folgen noch 10-15 Beiträge.
Hoffentlich ist es uns beim neuen Greenwashing Artikel gelungen, den Mehrwert rauszuarbeiten.
Bei gezieltem Feedback zu gewünschten Themenschwerpunkten freue ich mich über eine Kontaktaufnahme, per Mail oder auch telefonisch. Dann können wir die Erwartungen besser verstehen und versuchen genauer drauf einzugehen.
[…] Hier geht es weiter zur nächsten Folge 10: “Unternehmensexternen Bewusstsein schaffen” […]