Grüne Technologien sind in ihrer Herstellung stark auf Rohstoffe angewiesen, deren Abbau häufig mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Zusammenhang steht. Weder der Gesetzgeber, noch die Hersteller grüner Technologien ergreifen bislang ausreichend Maßnahmen, um diese negativen Auswirkungen entlang der Lieferkette zu verringern oder zu vermeiden. Auch Finanzinstitute müssen Verantwortung übernehmen indem sie (1) grüne Technologien umfassender finanzieren und (2) Hersteller und Projektbetreiber zur Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette
verpflichten.
Vor der anstehenden COP 24 Klimakonferenz in Katowice hat der neue Sachstandsbericht des Weltklimarates deutlich gemacht, dass umgehende und weitreichende Maßnahmen nötig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Vor diesem Hintergrund veröffentlicht die Berliner NGO Facing Finance heute eine neue, 58-seitige Studie, die insbesondere den Beitrag der Finanzwirtschaft zur Erreichung dieser Ziele beleuchtet. Die Studie untersucht die sozialen und ökologischen Probleme, die mit den für die Herstellung kohlenstoffarmer, grüner Technologien benötigten Rohstoffen einhergehen, ohne die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Energie- und Mobilitätswende in Frage zu stellen. Ziel der Studie ist es stattdessen, diese Wende hin zu kohlenstoffarmen Technologien in allen Aspekten nachhaltig zu gestalten, Verantwortlichkeiten zu benennen und dabei alle relevanten Akteure einzubinden.
„Grüne Technologien wie Windkraft, Solarenergie und Elektromobilität sind unverzichtbar, will die internationale Völkergemeinschaft die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius beschränken. Aber auch bei diesen Technologien müssen wir im Blick halten, ob ihre Produktion ökologisch und sozial nachhaltig ist“, sagt Christiane Overkamp, Geschäftsführerin der Stiftung Umwelt und Entwicklung. Die Stiftung ist Ko-Finanzierer des von Facing Finance koordinierten Projektes Fair Finance Guide Deutschland, in dessen Rahmen die Studie erstellt wurde.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass fast alle Rohstoffe, die für grüne Technologien benötigt werden, konfliktbehaftet sind. Während grüne Technologien in der Nutzungsphase im Vergleich zu herkömmlichen Technologien ohne Rohstoffe auskommen, haben sie in ihrer Herstellung einen deutlich höheren Rohstoffbedarf. Die Studie analysiert daher eine Vielzahl verschiedener Rohstoffe, die für die
Herstellung grüner Technologien nach dem Stand der aktuellen Technik unabdingbar sind. Sie verweist darauf, dass nicht nur Kobalt aus der DR Kongo, Seltene Erden aus China oder Lithium aus Südamerika, die bereits seit Längerem im Fokus der Öffentlichkeit stehen, mit sozialen und ökologischen Problemen behaftet sind. Auch die Gewinnung von Graphit sowie von Grundmetallen wie Eisen, Kupfer und Aluminium verursacht eine Reihe von sozialen und ökologischen Problemen in den Abbauländern (z.B. Indien oder Guinea), so ein weiteres, zentrales Ergebnis der Untersuchung.
„Leider sind auch grüne Technologien auf bestimmte Minerale und Metalle angewiesen, deren Gewinnung häufig mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Zusammenhang steht“, beklagt Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance. Küchenmeister fordert zudem, dass die Hersteller grüner Technologien verstärkt ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, um die Auswirkungen des Abbaus dieser Rohstoffe angemessen zu überprüfen. Die Studie zeigt jedoch, dass weder der Gesetzgeber, noch die Hersteller dieser grünen Technologien bislang ausreichend Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen entlang der Lieferkette von grünen Technologien zu verringern oder zu vermeiden.
Daher will die Studie insbesondere auch Banken als maßgebliche Akteure in der Energie- und Mobilitätswende möglichst frühzeitig für die mit grünen Technologien verbundene Problematik sensibilisieren. Es wird hier auf den EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen verwiesen, der diesbezüglich Finanzinstituten eine wichtige Rolle zuschreibt. Obwohl es zu begrüßen ist, dass deutsche Banken grüne Technologien aktuell im Umfang von annähernd 40 Mrd. € finanzieren, werden sie damit jedoch nach Ansicht von Facing Finance noch nicht ausreichend ihrer Verantwortung gerecht. „Banken müssen auch bei Finanzierungen im Zusammenhang mit grünen Technologien die potentiellen negativen Auswirkungen entlang der Lieferketten überprüfen, und diese nicht als pauschal positiv darstellen“, fordert daher Sarah Guhr von Facing Finance und Autorin der Studie. Die Studie belegt, dass diese Überprüfung selbst bei Nachhaltigkeitsbanken nicht systematisch vorgenommen wird, weil dies zu aufwändig sei.
Darüber hinaus macht der Umfang „grüner“ Finanzierungen bislang nur einen kleinen Anteil des gesamten Finanzierungsvolumens deutscher Banken aus. „Konventionelle Banken stellen derzeit nur rund 2-3 Prozent ihres Kreditvolumens für erneuerbare Energien bereit, während Alternativbanken auf einen Anteil zwischen 20 und 30 Prozent kommen“, schätzt Thomas Küchenmeister. „Insbesondere vor dem Hintergrund weiterhin fehlender Ausschlüsse von Kohle-, Öl- und Gasunternehmen, greift die Kreditvergabepraxis der konventionellen Banken für erneuerbare Energien deutlich zu kurz“, so Küchenmeister.
Verbraucher*innen können auf verschiedene Arten aktiv werden: Sie können bei ihrem Stromanbieter nachfragen, ob dieser bereits seine Lieferketten im Hinblick auf Rohstoffe überprüft, oder beim Kauf einer privaten Solaranlage den Hersteller zu seinen Bemühungen zur Lieferkettentransparenz befragen. Darüber hinaus können Bürger*innen auch bei Banken als Finanzierer von grünen Technologien nachfragen, ob beispielsweise Erneuerbare Energien Projekte auch auf die darin verwendeten Rohstoffe überprüft werden.
Die Studie wird auch von der schwedischen Entwicklungsagentur Sida gefördert und steht hier zum Download bereit.
Text und Grafik: Facing Finance
Artikelbild: Johanna Montoya / Dominik Vanyi on Unsplash