Da steht die Kuh. Auf einer grünen Wiese, inmitten der Bergidylle. Sie ist wohlgenährt, trägt eine Glocke um den Hals und lächelt uns zufrieden an. Wir lächeln zufrieden zurück. Diese Kuh muss eine gute Kuh sein, so wie sie aussieht. Hier ist die Welt noch in Ordnung, so grün wie das Gras ist. Und Grün ist eine gute Farbe! So natürlich, so gesund, so biologisch! Ein kräftiger Handschlag und die Kuh gehört uns. Glücklich tragen wir sie in unserem Stoffbeutel nach Hause.
Doch unser Glück währt nicht lange. Plötzlich stellen wir fest, dass unsere Kuh auf der Straße viel mehr Schadstoffe ausstößt als wir dachten. Dass das Brandzeichen auf der Kuh gar nicht offiziell ist, sondern frei erfunden. Dass unsere Kuh Plastikmüll ins Meer geworfen und genmanipuliertes Soja gefressen hat, weil es das gerade so günstig beim Discounter im Angebot gab. Und wir lesen in der Zeitung, dass ihr Halter gar keine kuhgerechten Projekte unterstützt, sondern den Dung heimlich in der Dritten Welt ablädt.
Wir fühlen uns betrogen. Verdammte Kuh! Hätten wir sie doch niemals gekauft! Und selbst wenn wir das Kleingedruckte auf dem Euter gelesen hätten – da wäre ja eh nichts gestanden! Wir raufen uns die Haare und rufen: „Niemandem kann man trauen!“ Und dann werfen wir die alte Kuh verärgert weg und kaufen uns eine neue.
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist allgegenwärtig. Und er wird gedehnt und gezogen, wie Knetgummi in den Händen eines Dreijährigen – mit der gleichen Begeisterung, wie es das Kind beim Spielen tut. Und jeder knetet mit. Unternehmen, Medien, Politiker und wir. Wir gehen durch die Läden und sehen Grün. Es suggeriert uns Umweltschutz, Natur, Biologisch. Die glückliche Kuh auf der Wiese eben, das Sinnbild der Nachhaltigkeit, wie wir es uns wünschen.
Die Kluft zwischen Rhetorik und Realität
Bei aller Kneterei und aller Begeisterung übersehen wir die Kluft zwischen Rhetorik und Realität. Wir nehmen einfach an, es wäre nachhaltig, weil die Verpackung und ihr nichtssagendes Logo grün sind und die beschreibenden Worte blumig. Wir übersehen, dass mehr Geld in die Werbung fließt als in das nachhaltige Projekt selbst. Wir lassen uns blenden von dekorativen Einzelmaßnahmen. Und wenn der Händler uns eine Geschichte erzählt, hören wir träge zu und fragen nicht nach den Fakten.
Ja, wir können nicht alles selbst nachprüfen. Wir können nicht in den Kongo fliegen und in den Mienen nachsehen, wer dort die Rohstoffe für unsere Elektrogeräte schürft. Wir können uns nicht an allen Lieferketten der weltweiten Bio-Baumwollproduktion entlang hangeln und selbst zählen, um herauszufinden, warum es mehr Bio-Baumwoll-Shirts gibt als Bio-Baumwolle produziert wird. Wir müssen denen, die es verdienen, einen Vertrauensvorschuss geben. Den offiziellen Siegeln, den Naturschutzorganisationen, den gesetzlichen Kontrolleuren, den wissenschaftlichen Studien und Nachhaltigkeitsberichten.
Aber ein flüchtiger Blick genügt nicht! Wir müssen auch selbst genauer hinsehen, so gut wir eben können. Wir müssen kritisch bleiben, hinterfragen und prüfen. Wir müssen nach Transparenz suchen, sie einfordern und uns selbst schaffen. Wir müssen an einem Punkt anfangen aber dürfen niemals dort aufhören. Wir müssen über den Tellerrand hinausblicken. Wir müssen lernen, global zu denken und lokal zu handeln. Bei jeder Knet-Kuh, die wir kaufen.
Wie du damit beginnen solltest? Hier beginnt Dein Weg zur Nachhaltigkeit.
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Foto: Pexels (via pixabay.com), nachträglich verändert