Die Erhebung des Status Quo der Nachhaltigkeit im Unternehmen ist eine essentielle Phase. Einerseits deshalb, weil nur das, was auch gemessen wird, greifbar wird, sich einschätzen lässt und damit in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und verbessert werden kann. Andererseits, weil die Ergebnisse der Status Quo Analyse die Basis für das weitere Vorgehen sind: Auf das Wissen und die Fakten, die hier zusammengetragen werden, wird im weiteren Vorgehen immer wieder zurückgegriffen – von der Vision bis hin zur Kommunikation und den Maßnahmen.
Die Status Quo Analyse benennt den IST-Zustand des Unternehmens und beantwortet die Frage „Wo stehen wir gerade in Sachen Nachhaltigkeit?“. Die Ergebnisse der Analyse sind der Boden, auf dem der Nachhaltigkeits-Prozess wächst. Je nahrhafter er ist, d. h. je spezifischer die vorhandenen Daten sind, desto besser und ganzheitlicher kann die Strategie aufgebaut werden und desto inhaltsvoller und transparenter kann kommuniziert werden.
Die Status-Quo Analyse gewinnt vor dem Hintergrund der bis zum 05. Dezember 2015 verpflichtenden Energieaudits für Nicht-KMUs an Relevanz. So wird von Unternehmen, mit min. 250 Mitarbeitern, mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme > 43 Mio. Euro, gefordert, ein Energieaudit durchzuführen, eine ISO 50.001 Zertifizierung oder das Umweltmanagementsystem EMAS einzuführen. Aufgrund der hohen Überschneidung mit den ökologischen Kennzahlen ist dies eine optimale Chance für eine ganzheitliche Status-Quo Analyse.
Offizielle Standards als Grundlage
Bei einer Selbsterhebung des Status Quo sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass sie auf offiziellen Standards basiert. Von einer selbstgestrickten Bewertungsmethodik ist abzuraten, denn sie birgt folgende Risiken:
- Wesentliche Aspekte insb. in Bezug auf Ökologie und Soziales werden übersehen und bleiben unberücksichtigt.
- Es werden nur kosmetische Optimierungen vorgenommen, wodurch die Gefahr des Greenwashings besteht.
- Eine übergreifende Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen, Tochtergesellschaften und internationalen Standorten ist nicht gegeben.
- Spätere Maßnahmen, z. B. ein Nachhaltigkeitsbericht, bedürfen einer nochmaligen, erweiterten Analyse.
Die wesentlichen Standards sind folgende.
Global Reporting Initiative (GRI) – G4-Leitlinien
Es handelt bei GRI G4 sich um den am meisten verbreiteten Berichtsstandard. Er wurde in einem partizipativen Verfahren entwickelt und wird von Unternehmen jeglicher Größe, Behörden und Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) verwendet. Dabei behandelt er alle wesentlichen ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekte. Auch die Produktverantwortung findet Beachtung.
KPI´s for ESG von EFFAS
Die European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS) hat den Standard KPI for ecological, social and Corporate Governance (ESG) entwickelt, der auf der Arbeit von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) basiert. Auch hier gibt es bei den ökologischen Kriterien eine Anlehnung an GRI G4. Die Besonderheit von diesem Standard sind die spezifischen Kennzahlen für ca. 100 Industrien / Branchen, die die jeweiligen Risiken berücksichtigen.
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex vom Rat für nachhaltige Entwicklung
Anfang des Jahres 2015 hat der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) den Deutschen Nachhaltigkeitskodex in einer 2. komplett überarbeitete Fassung rausgebracht. Er ist sowohl an GRI G4 als auch an die EFFAS-Kennzahlen angelehnt. Es wird empfohlen, sich für einen der beiden Standards zu entscheiden und diesen für den gesamten Kodex beizubehalten. Freiwillige branchenspezifische Indikatoren können ergänzt werden.
Zudem ist auf das Carbon Disclosure Project (CDP) hinzuweisen. Hierbei handelt es sich um eine Non-Profit Organisation, die das Ziel hat, dass Unternehmen und Kommunen ihre Umweltdaten veröffentlichen, insb. die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen und den Wasserverbrauch. Einmal jährlich werden anhand eines Fragebogens die Daten erhoben. Anschließend gibt das CDP Informationen zu CO2-Emissionen, Klimarisiken und Reduktionszielen und -strategien. Es empfiehlt sich als fortlaufende Maßnahme.
Es gibt noch weitere internationale Verhaltens-Standards mit dem Fokus auf die Wirtschaftsethik, wie z.B. UN Global Compact und ISO 26.000. Sie behandeln aber nicht abschließend die ökologische Komponente. Von daher sind sie allein genutzt für eine Status-Quo-Analyse nicht umfassend genug.
Als Standard für die Erfassung der Treibhausgas-Emissionen hat sich das Greenhouse Gas Protocol (GHG) etabliert. Auch das CDP verweist hierauf.
Erfolgsfaktoren in der Erhebung
Integration
Bei der Status Quo Erhebung sollten Mitarbeiter, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, integriert werden. Das hat zwei wesentliche Vorteile. Erstens, die Erhebung profitiert vom Know-How der Mitarbeiter, d. h. ihrem Detail- und Abteilungswissen. Zweitens fördert diese Methode, dass die späteren Entscheidungen als gemeinsamer Prozess angesehen und von den Mitarbeitern mitgetragen werden, da nicht nur die Führungsetage eingebunden ist (vgl. auch Folge 8: Bewusstsein im Unternehmen schaffen).
Transparenz
Bei der Erhebung des Status Quo darf es keine Angst vor Schwächen geben, denn gerade sie ermöglichen die Chance, einzuhaken und Verbesserungen zu schaffen. Ehrlich zu sich selbst zu sein ist deshalb ein wichtiger Aspekt, denn falsche oder „geschönte“ Zahlen wirken sich auf den kompletten weiterführenden Nachhaltigkeits-Prozess aus. Für Führungskräfte gilt: Es sollte im Vorfeld deutlich gemacht und kommuniziert werden, dass ehrliche Antworten gewünscht sind und es keine negativen Folgen für die Mitarbeiter hat, wenn sie Missstände oder Bedenken äußern.
Zeitaufwand
Den Status Quo zu erheben, ist – abhängig der Datengrundlage – durchaus aufwändig. Denn es gilt, eine Vielzahl von Kennzahlen zu erheben, die sich auf alle Bereiche der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit beziehen. Die Unternehmensgröße und -standorte haben Einfluss auf den Umfang. Für die Erhebung sollte in jedem Fall genügend Zeit eingeplant werden, um Fahrlässigkeiten durch möglichen Zeitdruck zu verhindern. Diese Zeit ist eine Investition, die sich später bei der erfolgreichen Umsetzung bezahlt machen wird und Doppelarbeiten vermeidet.
Qualität
Ein ganzheitlicher Status Quo ist mehr als nur eine Liste der Finanz- und Prozesszahlen. Kennzahlen allein sind dabei oft nicht genügend, um den Wert zu bestimmen: Wie viel Budget in eine Nachhaltigkeits-Initiative fließt, macht keine Aussage über ihren tatsächlichen gesellschaftlichen Wert, ihren ökologischen Nutzen oder ihre Marktorientiertheit. Durch ergänzende, qualitative Erhebungsmethoden, wie z.B. Interviews, können weiche Werte besser herausgefiltert und Optimierungen ausgearbeitet werden.
Bei weitergehenden Fragen zur Status-Quo-Analyse helfen wir gerne weiter. Informationen zu unseren Leistungen sind hier zu finden.
Über die Serie „Handbuch Nachhaltigkeit: Die gute Absicht praktisch umsetzen“:
Schon lange beschäftigen wir uns privat wie beruflich mit Nachhaltigkeit. Durch die Erfahrungen und die Arbeit als Unternehmensberater ist uns klar geworden, dass es für Unternehmen oft schwierig ist, die gute Absicht praktisch umzusetzen. Wir haben deshalb einen Leitfaden entwickelt, der als Werkzeug für nachhaltiges Handeln dienen soll und den wir hier als Serie veröffentlichen.
Alle Folgen des „Handbuch Nachhaltigkeit für Unternehmen“, die bisher erschienen sind, finden Sie hier.
Artikelbild: picjumbo.com