Klimawandel

Wie man den Staat diszipliniert

Geschrieben von Nicola

Auch wenn der Bürger als Käufer und Wähler Einfluss auf die Wirtschaft und die Entscheidungen des Staates üben kann, höre ich von Freunden und Bekannten immer wieder, dass sie keine Handhabe hätten. Sie können z.B. zwar grün Einkaufen, aber wenn gewisse Produkte gar nicht erst existieren, könnten sie nichts tun, und die Wahl bezieht sich auf Parteien, die dann machen was sie wollen. Auch wenn ich diese Argumente sehr gut nachvollziehen kann, stimmt das nicht so ganz, denn es gibt auch andere Einflussmöglichkeiten auf den Staat und dabei haben sie sogar auch jenseits der politischen Wahl Möglichkeiten diverse Einzelentscheidungen des Staates und der Behörden mitzugestalten und zwar bereits seit ca. 10 Jahren. Wie einfach das ist, soll Euch dieser Artikel aufzeigen: durch die Aarhus Konvention.

Umweltfeindliche Entwicklungen

Seien wir mal ehrlich! Auch wenn wir schon seit bald 50 Jahren wissen, dass unser Planet unter dem Handeln der Menschheit leidet, kommen die Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit nur sehr langsam voran. Die immer noch umwelt- und auch gesundheitsfeindliche Entwicklung zeigt sich in vielen auch kürzlich getroffenen Entscheidungen etwa für Braunkohle oder Glyphosat (siehe auch mein Artikel zu gv-Soja). Anscheinend setzen sich immer die wirtschaftlichen Interessen durch, was meist gleichbedeutend ist mit der Beibehaltung des umweltfeindlichen Status Quo. Dies ist umso trauriger, weil gerade im Bereich des grünen Wirtschaftens die zukunftsfähigen Potenziale für die Gesellschaft schlummern. Denn die Nachfrage für grüne Lösungen wird zwangsläufig steigen und wenn sie denn nicht schon vorhanden sind, werden diese Potentiale aufgrund des fehlenden Angebots gar nicht wahrgenommen werden. Wenn also die Wirtschaft heute nicht willens ist oder mit Blick auf die Wettbewerbssituation nicht fähig, für eine grüne Wende zu sorgen, muss der Staat die nötigen Weichen stellen. Aber scheinbar ist auch der Staat nicht willens oder fähig, die benötigten tiefgreifenden Veränderungen in die Wege zu leiten oder nötigenfalls durchzusetzen. Die Tür zur nachhaltigen Entwicklung ist aber nicht unumgänglich versperrt. Einer der wichtigsten Schlüssel stellt hierbei die Aarhus-Konvention dar.

Aarhus-Konvention: Blick hinter die Kulissen

Seit 1998 existiert die Aarhus-Konvention der Wirtschaftskommission für Europa (UNECE), die seit ihrem Inkrafttreten in 2001 den Bürgern und zivilgesellschaftlichen Verbänden, wie z.B. BUND, Greenpeace oder Client Earth als Anwalt der Umwelt weitreichende Möglichkeiten an die Hand gibt, um das Staatshandeln mitzuprägen. Auch wenn die Inhalte der Konvention mehr oder weniger sinnvoll ins europäische (2006) und deutsche (2007) Recht umgesetzt wurden, ist die Existenz dieser Rechte noch immer in weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt. Das ist schade, denn in diesen Rechten stecken echte Schätze, die von der Bürgerschaft nur gehoben werden müssen.

Die Aarhus-Konvention, die auf drei „Säulen“ aufbaut ist, gibt uns zum Ersten ein Recht auf Beteiligung bei allen Entscheidungen über Umweltangelegenheiten. Denn wir als Bürger müssen uns Gehör verschaffen können, wenn es um unser aller Umwelt geht. Ist die Entscheidung trotzdem schlecht für die Umwelt, haben wir zum Zweiten die Möglichkeit diese Entscheidung vor den Gerichten überprüfen zu lassen; sozusagen als Anwalt für die Umwelt. Das ist gesetzlich dann meist so eingerichtet, dass Umweltverbände klagebefugt sind und die hören auf Meinungen und Hinweise aus der Gesellschaft, denn sie sind auf unsere Mithilfe – finanziell wie ideell – angewiesen.

Die für uns wichtigste Säule der Aarhus-Konvention ist unser aller Recht auf Umweltinformationen, denn die sind nicht nur die Grundvoraussetzungen dafür, damit wir die vorangegangenen Rechte überhaupt erst ausüben können. Vielmehr wirkt das „auf die Finger des Staates schauen“ disziplinierend auf alle Beteiligten. Es rückt Entscheidungen, die eventuell im Hinterzimmer stattfinden würden, in den Fokus der Öffentlichkeit und nimmt hanebüchenen oder einseitigen Argumenten den Raum. Das fängt im Kleinen an, etwa bei Entscheidungen über Bebauungspläne in unseren Gemeinden und wirkt auch im Großen, wenn die Bundesregierung Gesetze verabschiedet oder auf europäischer Ebene z.B. Zulassungsentscheidungen über Chemikalien getroffen werden. Wir müssen uns also nicht weiterhin dem Achselzucken und alternativlosen Weitermachen widmen, wenn wir nicht wollen. Wir können auch anfangen „etwas dagegen zu tun“. Wie einfach das geht, möchte ich Euch kurz schildern.

Anleitung für die Disziplinierung des Staates

Wir haben das Recht darauf Umweltinformationen jedweder Art vom Staat zu erhalten. Schreibt doch einfach eine E-Mail an die Behörde, von der ihr Informationen über die Umwelt haben wollt und innerhalb eines Monats müssen die verlangten Informationen ausgehändigt werden. Zwar gibt es hier ein paar Ausnahmen, aber die Regel ist: Veröffentlichung. Ganz unbürokratisch. Am Besten in elektronischer Form und bei Fotokopien so kostengünstig wie möglich. Wenn man euch diese Informationen versagt, habt ihr die Möglichkeit diese Entscheidung – ebenfalls kostengünstig, weil noch nicht in Form eines gerichtlichen Verfahrens – überprüfen zu lassen. Stellt sich eine Behörde quer, muss man zwar in Deutschland den Gerichtsweg gehen, aber für die EU gibt es den Bürgerbeauftragten (europäischer Ombudsmann), der euch unterstützen kann. Probiert es einfach aus. Ist ganz einfach und kostet euch nur eine E-Mail. Falls ihr euch für dieses Thema interessiert, findet ihr unter dem Stichwort „Aarhus Konvention“ tonnenweise Informationen im Internet oder ihr fragt im konkreten Fall bei aufkommenden Problemen einen auf Informationsrechte spezialisierten Anwalt, um euer Recht durchzusetzen.

Habt ihr erst die nötigen Informationen beisammen und stoßt auf Ungereimtheiten bei den Entscheidungen, werden sich diverse lokalen, nationalen oder europäischen Umweltverbände freuen, von euch einen Hinweis zu bekommen. Das nimmt ihnen nämlich Arbeit ab, die sie dann für ihre Kampagnenarbeit nutzen können. Die damit einhergehende Öffentlichkeit schlechter Entscheidungen wird dann auf die Entscheider und die Unternehmen disziplinierend wirken, denn es gibt nichts Schlimmeres als schlechte Publicity.

 

Artikelfoto: Foto-Rabe / pixabay.com