Klimawandel

Parents For Future – Interview

Geschrieben von Matthias

Als die erste Weltklimakonferenz stattfand, war Greta Thunberg noch nicht geboren. Viel geändert hat sich seitdem jedoch leider nicht. Daher beschloss Greta im August 2018 für das Klima zu streiken, indem sie die Schule schwänzt. Zu diesem Zeitpunkt war sie sich sicher nicht bewusst, welche Tragweite dieser Protest erreichen würde. Heute protestieren jeden Freitag weltweit mehrere hunderttausend Kinder und Jugendliche unter dem Motto Fridays For Future für ihre Zukunft.

Neben der Gruppierung der Scientists For Future haben sich kürzlich auch die Parents For Future zusammengefunden, um für schärfere Klimaziele zu protestieren und die Kindern bei ihren Forderungen zu unterstützen.

Von Beginn an mit dabei, Meike Wunderlich, mit der wir ein kurzes Interview führen durften:

 

Hallo Meike,

erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für dieses Interview.

Kannst du unseren Lesern vielleicht kurz euer Ziel beschreiben, den Grund nennen, warum es zusätzlich zur Fridays For Future nun auch noch eine Parents For Future Bewegung braucht?

Unser Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern bei ihrem Streik für eine sichere, saubere und gerechte Zukunft Rückhalt zu bieten und sie dabei zu unterstützen, die Bewegung in alle Teile der Gesellschaft zu tragen. Das hat verschiedene Facetten. Zum einen sind viele Eltern bei den Parents, die es ihren Kindern ermöglichen wollen, von ihrem Streikrecht gebrauch zu machen. Manche Bundesländer und Schulen drohen ja nach wie vor mit Strafen, wenn die Kinder und Jugendlichen freitags auf die Straße gehen. Dann gibt es die konkrete Unterstützung für die Streiks, die die Parents leisten, wenn es beispielsweise darum geht, Ordnerbinden zu nähen oder Bühnentechnik zu transportieren. Aber wir versuchen auch Druck auf die Politik auszuüben.

 

Seit 20-30 Jahren ist bekannt, dass wir etwas tun müssen gegen die vielen Ursachen die wir heute unter dem Begriff der Klimakrise vereinen. Wieso brauchte es erst ein Kind aus Schweden um auch die Erwachsenen wach zu rütteln?  

Ich denke, den Nährboden lieferten die Extremwetterereignisse, die in den vergangenen 12 Monaten sehr offensichtlich waren. Dieser extreme Sommer 2018, die für Deutschland untypisch zerstörerischen Stürme, 20 Grad im Februar und jetzt diese Trockenheit im April. Viele spüren, dass die Klimakrise real ist, dass sie eine Bedrohung für unsere Lebensgrundlagen ist, z.B. wenn der Regen ausbleibt und die Nutzpflanzen auf den Feldern nicht mehr wachsen. Dann kam Greta, und sprach mutig ihre existenzielle Angst ganz offen aus. Damit spricht sie auch vielen Eltern aus der Seele, die Angst davor haben, ihren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die noch zu ihren Lebzeiten von Ressourcenengpässen und gewaltsamen Auseinandersetzungen um sauberes Wasser oder ertragreiche Böden geprägt ist – auch bei uns in Deutschland!

 

Viele werfen den Erwachsenen vor, die Eltern würden ihre Kinder instrumentalisieren. Was entgegnet ihr solchen Anschuldigungen?

Der Protest ging und geht von den Schülerinnen und Schülern aus, sie sind die treibende Kraft. Mal ganz ehrlich: Da kommen wir als Parents kaum hinterher, so dynamisch sind die Fridays. Nun kann man manchen Eltern vielleicht vorwerfen, sie hätten ihre Kinder zu kritisch erzogen. Aber ist das angesichts der Lage nicht ziemlich absurd? Und überhaupt, welche Rolle spielt das, wo es doch um die Existenz der Menschheit geht! Sogar die EU und die katholische Kirche benennen den Klimawandel jüngst als zentrale Bedrohung für die Menschheit und unsere Zivilisation.

 

Wenn du anderen von deinem Engagement bei Parents For Future berichtest, was sagen sie dann?

Zunächst einmal habe ich bisher noch niemandem gesprochen, der die Klimakrise ernsthaft bestreitet. Ganz oft kommt dann aber leider die Aussage “Toll, dass ihr das macht, aber wir können hier in Deutschland doch gar nichts ausrichten, solange die USA oder China nicht mitziehen”. An der Stelle versuche ich die Leute aus dem sprichwörtlichen Sand herauszuholen. Es drängt die Zeit und ja, wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Klimaschutz muss in allen Bereichen an die 1. Stelle gesetzt werden, wir können es schaffen, wenn wir jetzt entschlossen und gemeinsam handeln! Wir waren mal die Umweltnation Nr. 1 und viele haben sich Lösungen von uns abgeguckt, warum sollte es nicht wieder so sein? Wir sollten nichts unversucht lassen und stehen dazu weltweit mit Parents For Future Gruppen im engen Austausch.

 

Ich kann mir vorstellen, dass es unter den Eltern dann auch vereinzelt zu hitzigen Diskussionen kommen kann, gerade wenn man versucht andere Eltern von der Dinglichkeit des Problems oder überhaupt dessen Existenz zu überzeugen?

Wie gesagt, habe ich noch mit niemandem gesprochen, der die Klimakrise ernsthaft bestreitet. Was die Überzeugungsarbeit betrifft, würde ich es auch eher Informationsarbeit nennen. Denn wir wollen ja nicht missionieren. Es geht hier um wissenschaftliche Erkenntnisse. Wenn die bereits existierende Klimakrise einmal bei den Menschen als reale Bedrohung angekommen ist, werden hoffentlich immer mehr Menschen zusammen mit uns aufstehen und für eine ambitionierte Klimapolitik eintreten. Und über eins müssen wir uns im Klaren sein: Das Zeitfenster, einen globalen Klimakollaps zu verhindern, beträgt nach allem, was wir wissen, nur noch ein paar Jahre, dann wird eine klimatische Kettenreaktion in Gang kommen, die die Menschen nicht mehr aufhalten können. Deshalb muss unser kollektives verschwenderisches und klimaschädliches Verhalten auf Kosten der Lebenschancen unserer Kinder aufhören, jetzt!

Photo by Markus Spiske on Unsplash

Dass die Kinder auf die Straße gehen hat maßgeblich mit fehlenden Reglementierungen durch die Politik zu tun. Oftmals sind aber gerade die Eltern nicht die besten Vorbilder. Ich könnte mir vorstellen – ehrlich gesagt hoffe ich es sogar – dass schon mancher SUV der Eltern oder die Flugreise in den Urlaub von den Kindern und Jugendlichen hinterfragt wurden. Ist Klimaschutz denn nun privat oder politisch?

Unbedingt Beides! Denn wenn sich jede/r einzelne von uns zum Klimaschutz bekennt und das eigene Verhalten Stück für Stück verändert, ist dies ein wichtiger Schritt in die unbedingt notwendige Richtung. Aber wir müssen auch die wirtschaftlichen und politischen Verantwortlichen unter Druck setzen und unsere politischen Vertreterinnen und Vertreter mit unseren Forderungen nach konsequentem Klimaschutz konfrontieren und darauf hinarbeiten, dass sich die Politik gezwungen sieht, entsprechende Gesetzesanträge zu stellen.

 

Ihr distanziert euch von Parteien, was ich nachvollziehen kann. Ich würde mir jedoch wünschen, dass Teile eurer Bewegung in der Politik aktiv werden. Ihr könnt natürlich im Sinne der Kinder und Jugendlichen wählen gehen. Noch effektiver ist es jedoch, wenn man selbst in einer Partei aktiv wird.

Da Klimaschutz nur gesamtgesellschaftlich gelingen kann, sind wir ausdrücklich unabhängig von politischen Parteien und Organisationen. Wir kooperieren mit allen, die sich frei und kritisch für eine gesunde und sichere Welt einsetzen.

Sicher, viele von uns sind auch politisch aktiv und es gibt seit kurzem ja auch die Unterstützergruppe Politicians For Future. Von der Gründung einer neuen Partei halte ich persönlich nicht so viel, denn die Mehrheitsverhältnisse im deutschen Bundestag sind ja auch so schon schwierig.

Ziel muss meiner Meinung nach sein, dass ALLE politischen Parteien Klimaschutz zum vorrangigen Ziel machen und schnell entsprechende Rahmenbedingungen und Anreize auf den Weg bringen.

Wer dazu beitragen möchte, kann sich bei uns informieren.

 

Also mischen sich “die Erwachsenen“ für die Kinder auch politisch ein?

Klar, wir unterstützen ihre Forderung, die globale Erwärmung auf unter 1,5° Celsius zu begrenzen vollständig.

Hierzu rufen wir gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern alle Erwachsenen dazu auf, die anstehende Europawahl im Mai zur Klimawahl zu machen und ihre Stimmen der Zukunft zu geben, denn die Jugendlichen und Kinder selbst können ja nicht wählen gehen.

 

Wie geht es weiter? Welche Aktionen laufen, was ist geplant?

Ganz aktuell läuft die schon erwähnte Petition, die noch bis zum 5.6.19 online über unsere Homepage parentsforfuture.de unterzeichnet werden kann. Da brauchen wir noch dringend Unterschriften! Berechtigt ist übrigens Jede und Jeder, auch Kinder und Jugendliche, sowie im In- und Ausland lebende Menschen. Für den Mai, dem Monat, in dem die Europawahl stattfinden wird, werden sich die Ortsgruppen öffentliche Aktionen überlegen – auch hier sind alle herzliche eingeladen, mitzumachen! Außerdem werden wir natürlich weiterhin die Kinder und Jugendlichen in ihrem Streik für eine sichere und saubere Zukunft unterstützen, das sind wir ihnen doch schuldig, oder?

 

Vielen Dank Meike, für das aufschlussreiche Gespräch.

 

Wer sich weiter informieren möchte, kann dies gerne tun unter der Internetadresse www.parentsforfuture.de. Die einzelnen Ortsgruppen findet ihr ebenfalls auf der Internetseite oder direkt unter folgendem Link: https://parentsforfuture.de/vor-ort-aktiv-werden/

 

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