nachhaltig gefragt

Sieben Fragen an Hannah Neumann, MdEP

Geschrieben von Matthias

Wenn ihr Instagram oder Twitter nutzt, dann folgt auf jeden Fall Hannah Neumann! mMn eine der sympatischsten und authentischsten Personen auf der politischen Bühne.

Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Berlin und ist bei der vergangenen EU Wahl ins Europäische Parlament gewählt worden.

Bei dem ganzen Stress im EU Parlament freuen wir uns um so mehr, dass Sie die Zeit gefunden hat unsere sieben Fragen zu beantworten.

Hannah, was bedeutet für dich Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit bedeutet für mich, dass wir versuchen so mit dieser Welt und ihren Ressourcen umgehen, dass es ihr danach nicht schlechter geht, als vorher. Vorsichtig, bedächtig und rücksichtsvoll. Und so wenig nehmen, wie möglich.

Was tust du, um nachhaltiger zu leben, und wie (auf einer Skala von 1-10) bewertest du deine bisherigen Bemühungen?

Seit dem ich Europaabgeordnete bin, habe ich auf jeden Fall ein paar Punkte auf der Skala verloren. Vielleicht so von 8 auf 4. Und das ärgert mich sehr. Ich kaufe immer noch viele Klamotten Second-Hand. Nehme mir Essen von zu Hause im Glas mit oder nehme den Zug, wann immer es geht. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ich muss viel reisen, die Aufenthalte sind kurz, die Distanzen weit. Häufig kommt dann nichts anderes als das Flugzeug in Frage. Ständig unterwegs zu sein erschwert auch das Haushalten mit Lebensmitteln. Als ich neulich in meiner Brüsseler Wohnung beinahe verschimmelte Hafermilch in den Kaffee geschüttet hätte, ist mir wieder aufgefallen, wie nachhaltig mein Familienleben war und ist: Ich kann mich nicht erinnern, wann in meinem Berliner Kühlschrank das letzte Mal etwas schlecht geworden ist. Bei einem Fünf-Personen-Haushalt muss man eigentlich nie Essen wegschmeißen. Zur Not macht man halt ne Quiche oder nen Salat draus. Mein Mann und meine Kinder sind was Nachhaltigkeit angeht viel besser aufgestellt als ich. Sie fliegen auch nicht. Urlaub machen wir mit dem Camping-Bus oder sie besuchen mich mit dem Zug in Brüssel.

Wo siehst du noch eigenes Verbesserungspotential und was sind deine nächsten Nachhaltigkeits-Ziele?

Plastik sparen, regionale Produkte bevorzugen und Dinge so lange nutzen, bis sie so kaputt sind, dass man sie nicht mehr reparieren kann. Das tue ich bereits so gut ich kann. Mein Ziel ist es nun, Flugreisen zu minimieren. Häufig bin ich, wie gesagt, ans Flugzeug gebunden. Aber als Abgeordnete habe ich auch die Möglichkeit, Dinge zu verändern. So setze ich mich gerade mit anderen Abgeordneten für einen Nachtzug zwischen Berlin und Brüssel ein. Oder wenigstens eine schnelle Direktverbindung. Wenn es die gäbe, wären das bei mir 4 Flüge weniger im Monat. Und so ein Zug würde vielen anderen Politiker*innen, Geschäftsleuten und Tourist*innen helfen, die aufgrund der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dieses Jahr häufiger zwischen den beiden Hauptstädten pendeln werden. Das könnte der Ausgangspunkt sein für ein europaweites Nachtzugnetz. Ich meine, es ist doch absurd, dass wir innerhalb der EU immer noch so viel fliegen, wo es so eine einfache Lösung gäbe.

Welchen Tipp hast du in Sachen nachhaltiger Lebensweise für unsere Leser?

Nachhaltig leben ist nicht immer einfach. Es heißt ganz oft auch, alte Routinen zu brechen. Beispielsweise die ganze Ernährung umzustellen ist eine große Herausforderung. Wem das (noch) zu viel ist – versucht es doch mal als Event. Beim Thema Ernährung klappt das super, wenn ihr für Freunde oder Familie ein größeres Essen vorbereitet und euch dafür ein Ziel steckt, beispielsweise nur Produkte aus einem Umkreis von 500 Kilometern zu verwenden. Egal was am Ende auf den Tisch kommt, ihr werdet einiges bei diesem Versuch lernen. Wenn man solche Experimente immer wieder macht, entwickelt man Bewusstsein und verändert seinen Alltag schleichend ganz von allein zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Und steckt andere im besten Fall an.

Welchen Wunsch hättest du an die Politik?

Dass sie den Mut aufbringt, sich an die großen Fragen ranzutrauen. Und wirklich etwas ändert. Für kleine Schritte ist es zu spät.

Wir brauchen eine Agrarwende, eine Energiewende, eine Verkehrswende, eine andere Art des Wirtschaftens.

Das ist ziemlich viel auf einmal und das wird auch vielen Menschen erstmal weh tun.Aber wenn wir nichts tun, wird es viel schlimmer. Denn die Klimakrise stoppt sich nicht von selbst. Nicht Schönreden, sondern handeln und das tun, was für unsere Kinder und deren Kinder am Besten ist, das wünsche ich mir. Und daran wirke ich im Europäischen Parlament auch ein wenig mit.

Welche Vorbilder, welches Vorbild hast du – und warum?

Ich gestehe, ich finde Great Thunberg toll. Weil sie sich nicht beirren lässt, von all dem, was auf die einprasselt. Weil sie bei ihrer Botschaft bleibt, egal was man ihr verspricht. Und weil sie diese verkrustete Macht- und Männerwelt damit ziemlich durcheinander gerüttelt hat. Das macht auch mir Mut, manchmal stur zu bleiben.

Welche Organisationen unterstützt du?

Ärzte ohne Grenzen bekommen von mir jeden Monat eine Spende. Und dann entscheide ich immer mal spontan, welche Aktion ich gerade unterstützenswert finde. Das kann mal der NABU sein, mal ein kleiner Nachbarschaftsgarten um die Ecke oder ein Frauenhaus in Mossul.


Hier noch ein Link zur Petition von Hannah:
Hannahs Petition für einen Nachtzug zwischen Berlin und Brüssel

Und noch ein super Rezept für Hannahs Salatglas/Müsliglas, das unter den EU-Abgeordneten schon ein paar Nachahmer hat. Der Link führt zu Hannahs Instagram-Kanal. Dort berichtet sie über ihren politischen Alltag, den sie versucht, so nachhaltig wie möglich zu gestalten.

Hannah Neumann, MdEP – Januar 2020

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Titelbild by Matt Botsford on Unsplash