nachhaltig gefragt

Sieben Fragen an Eveline Lemke

Geschrieben von Matthias

Zukunft ist das Privileg der Jugend, für die wir Verantwortung tragen.

 

AZ Region / Eveline Lemke im Redaktionsgespräch Foto: Sascha Kopp

 

Evelin Lemke hat bis bis 2016 als erste grüne Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz viele nachhaltige Projekte initiiert. Inzwischen ist sie als Expertin für Fragen der Energie- und Rohstoffwende sowie C2C-Öko-Design „Cradle to Cradle“ zuständig. Ende 2017 hat sie ein Kompetenzzentrum zu Fragen der Circular Economy gegründet: Thinking Circular.

 

Was bedeutet für dich Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit bedeutet die eigene Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen tatsächlich auch wahrzunehmen. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) sind anerkannte Ziele, die es umzusetzen gilt. Verantwortung ist für mich auch Verpflichtung – das nehme ich sehr persönlich.

 

Was tust du um nachhaltiger zu leben und wie (auf einer Skala von 1-10) bewertest du deine bisherigen Bemühungen?

Öko-Strom, Essen aus Bio-Landwirtschaft, bewusst ökologische Mobilität, ökologisch energetische Sanierung und Wohnen oder Waren aus Fair-Trade sind persönliche Standards, die mich seit meiner Jugend leiten und die ich lebe. Das reicht aber nicht.
Deshalb bin ich politisch aktiv geworden, um den Rahmen für unser Handeln zu verändern und konnte als Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung in Rheinland-Pfalz wirken. Die IRENA (International Renewable Energy Agency) hat meine Arbeit in ihrem jüngsten Bericht bewertet und ich habe mich über die Anerkennung durch Aufnahme in den Bericht sehr gefreut. Die durch die GRÜNEN in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz geleistete Arbeit habe ich in „Politik hart am Wind“ zusammengefasst und bewertet. Es bleibt viel zu tun, aber was möglich war, habe ich möglich gemacht.

 

Wo siehst du noch eigenes Verbesserungspotential und was sind deine nächsten Nachhaltigkeits-Ziele?

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, die von Konsum geprägt ist. Wachstum ist in diesem System zu einem Wert an sich geworden, der in die Irre führt. Hier setze ich an. Systemisches Denken, interdisziplinäre Arbeit, Kooperation und Zusammenarbeit und das Aufbrechen dieser linearen Wirtschaftsweise in eine Wirtschaftsweise, die Material und Ressourcen in einem Kreislauf führen kann, prägen meine Arbeit. Aus der Recyclingbranche stammend, arbeite ich heute als Consultant in der „Circular Economy“. Neben der Energiewende ist die Materialwende zentral.

 

Welchen Tipp hast du in Sachen nachhaltiger Lebensweise für unsere Leser?

Mein Tipp ist, dem Prinzip RESOLVE zu folgen:

RE= renew, reuse, recycle
S = share
O= optimize = effectiveness
L = close the material loop
V = Virtualize, visualize
E = Exchange (experience, materials, goods, information)

 

Welchen Wunsch hättest du an die Politik?

Ich wünsche mir Intelligenz und Mut gepaart mit Verantwortung zur richtigen Zeit, zum richtigen Thema. Lasst uns aber nicht alle Verantwortung bei der Politik abwälzen. In einer Demokratie braucht es kluge Bürger, die Politiker auch das Richtige tun lassen. Egoistische Backyard-Debatten führen zu Handlungsunfähigkeit, dabei sind wir alle zusammen verantwortlich. Zudem: in der Demokratie werden die Politiker von den Bürgern gewählt, sie können also selten schlauer sein, als die, die sie in ihren Dienst gestellt haben.

 

Welche Vorbilder, welches Vorbild hast du – und warum?

Je älter ich werde, desto weniger Zukunft habe ich persönlich. Gleichzeitig weiß ich, wie lange es dauert, sein eigenes Verhalten zu verändern, sich auf Neues einzulassen oder Neues zu lernen. Und unser Dasein auf der Erde ist endlich. Aber die Fähigkeit, die Zukunft zu sehen und zu gestalten oder Perspektiven zu entwerfen ist Grundlage für nachhaltige Entscheidungen.

Mein zwei jähriger Enkel hat sein ganzes Leben noch vor sich. Und fröhlich erwartet er seine Zukunft. Weder Frustration, noch Zynismus über Nicht-Erreichtes oder Verlorenes prägen seine Tage. Seinen Antrieb, seine Motivation und Lebenskraft schöpft er aus Neugierde an dem Sein, aus Freude am Mit-Spiel. Die Sicherheit dafür kommt aus seiner Familie. Zukunft ist das Privileg der Jugend, für die wir Verantwortung tragen. Mein Vorbild eines dynamischen widerstandsfähigen Lebens lässt sich durch die Ausdauer eines Kleinkinds beim Laufen lernen erklären: Kleinkinder
geben nicht auf, wenn sie laufen lernen, egal wie oft sie hinfallen.

Wir haben alle Laufen gelernt. Warum sollten wir nicht auch lernen, was es heißt, nachhaltig zu leben?

 

Welche Organisationen unterstützt du?

  • FAST e. V. Friends´ Association for the Advancement of Systems Thinking
  • United Nations
  • Bündnis 90/Die Grünen
  • UnternehmensGrün
  • ZIRP Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz
  • BUND
  • VCD
  • Landfrauen
  • Leichtathletikverband Rheinland uva.

 

Evelin Lemke –  Januar 2019

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Titelbild by Matt Botsford on Unsplash