Lebensweise

Achtsam Leben für Umwelt und die eigene Gesundheit

Geschrieben von Gast

Was hat Nachhaltigkeit mit Gesundheit zu tun? Viel, wenn es nach unserem heutigen Gastautor, Krystian Manthey geht. Vor einiger Zeit hat er unser Buch gelesen und sich Gedanken gemacht, was Nachhaltigkeit oder ein achtsamer Lebensstil mit unserer Gesundheit zu tun haben. Dazu hat er nun sein erstes Buch veröffentlicht, unter dem Titel „Wa(h)re Gesundheit -Der Gesundheitskompass im Therapie-Dschungel. Was ihr von diesem Buch erwarten könnt, erfahrt ihr hier:


Warum bewegen sich viele Menschen zu wenig, essen zu viel Zucker und kaufen umweltschädlich hergestellten Sondermüll, um ihr Haus „schön“ einzurichten, obwohl doch mittlerweile fast jeder um die Probleme weiß? Warum achten manche Menschen auf die eigene Gesundheit und die der Natur und andere nicht?

Die Antwort ist „ganz einfach“: Wer auf etwas achtet, ist achtsam. Wer sich seinem Tun und der Auswirkungen tatsächlich bewusst ist, lebt von ganz allein gesünder, eignet sich Wissen an, reflektiert sich selbst und schadet sich und anderen mit dem eigenen Verhalten auch nicht mehr.

Achtsame Menschen lassen sich von der Hektik und den Verlockungen dieser Zeit nicht aus der Ruhe bringen oder verführen. Sie spüren ihre tatsächlichen Bedürfnisse und wissen daher, dass sie das neueste Smartphone auch nicht glücklicher machen wird.

Man könnte auch sagen: Unbewusstheit macht uns selbst und unsere Umwelt krank, Bewusstheit gesund. Und wieso sind so viele Menschen (noch) unbewusst?

Achtsamkeit und Unbewusstheit

Die sogenannte Adverse Childhood Experience Study offenbart uns die Hintergründe: Die Langzeitstudie untersuchte bei 17421 Personen den Zusammenhang zwischen belastenden Kindheitserfahrungen und Gesundheitsverhalten.

Das Ergebnis: Unfassbare 67 Prozent der Bevölkerung erlebten wenigstens ein traumatisches Ereignis in ihrer Kindheit. Jeder Achte hatte sogar vier oder mehr dieser Erfahrungen. Und je mehr belastende Erfahrungen ein Kind hatte, desto ungesünder verhielt es sich später.

Das liegt daran, dass negative Erfahrungen den Nucleus accumbens beeinflussen – das Belohnungszentrum, das für die Entstehung von Süchten verantwortlich ist. Außerdem hemmen einschneidende Erlebnisse den Präfrontalen Cortex, der für Impulskontrolle und Lernfähigkeit wichtig ist. In MRT-Bildern konnte man außerdem messbare Unterschiede in der Amygdala sehen – einer Art Angstzentrum im Gehirn.

Was alle Traumata eint, ist die Nicht-Erfüllung psychischer Grundbedürfnisse. Im Wesentlichen gibt es zwei: Denn der Mensch ist ein Herdentier. Seit Beginn der menschlichen Entwicklung sind Verbundenheit und Zusammenhalt essenziell für die erfolgreiche Reproduktion. Erst die Kooperation machte uns zur mächtigsten Spezies des Planeten. Droht uns soziale Isolation zum Beispiel durch Mobbing, führt das zu Störungen im Gehirn (die sogenannte Inkohärenz) und damit möglicherweise über Dauer auch zu körperlichen Symptomen wie Verspannungen oder Bluthochdruck.

Neben diesem psychischen Grundbedürfnis nach Verbundenheit haben wir auch das Bedürfnis nach Wachstum und Autonomie: Mit der Entstehung als Embryo ist dieser jeden Tag – sowohl körperlich als auch mental – etwas (über sich hinaus) gewachsen. Schritt für Schritt hat die bzw. der Heranwachsende, erst als Baby und später als Kleinkind und Jugendlicher, sich Kompetenzen angeeignet und wurde autonomer, also frei.

Die Ursache von Krankheit ist deshalb nicht, dass wir uns zu wenig bewegen, uns ungesund ernähren, schlecht schlafen, rauchen oder zu viel Alkohol trinken. Wir tun all diese ungesunden Dinge, weil die Unterdrückung und die Nicht-Erfüllung unserer Grundbedürfnisse dazu geführt hat, dass wir uns selbst nicht mehr spüren. Bis ein Alarmsignal in Form unserer Symptome stark genug ist, um uns zu motivieren, die Dinge anders, – eben gesünder, natürlicher und umweltfreundlicher –, zu machen, ist der eigene Körper meist schon krank.

Ersatzbefriedigungen mit Suchtpotential

Nun sollte auch klar sein, dass auch keiner etwas alleinig dafür kann, wenn er sich umwelt- oder selbstzerstörerisch verhält. Ihr Verhalten ist „lediglich“ das Resultat ihrer Erfahrungen und Prägungen. Das soll ihr Handeln nicht gutheißen, ist aber eine logische Erklärung.

Denn wenn man diese Glückseligkeit, dieses Wohlbefinden – wenn etwas gelingt, man dazugehört, man geliebt wird – nicht empfindet, sucht man sich Ersatzbefriedigungen: Einkaufen, Fernsehen, Alkohol, Drogen, große Häuser, dicke Autos und so weiter. Nur sind diese Glücksempfindungen zwangsweise von sehr kurzer Dauer. Deshalb konsumieren wir so viele eigentlich unnötige Dinge. Die Ersatzbefriedigung wird regelrecht zur Sucht, für die man durch die Traumata ja auch noch anfälliger ist.

Und weil man das, was man eigentlich braucht – nämlich das Gefühl von Zugehörigkeit und Potentialentfaltung –, nicht bekommt, wird man von diesem Ersatz auch nicht satt. Man braucht also immer wieder das neueste Smartphone, die neueste Mode, noch ein Schnäppchen (um zu sparen?) und „wirft sein Geld zum Fenster raus“.

Was sich dabei fast niemand fragt: „Bin ich bereit, für dieses oder jenes Produkt so und so lange zu arbeiten?“ Wäre es nicht viel schöner, du müsstest weniger (für Geld) arbeiten und hättest so mehr Zeit, für das, was du eigentlich brauchst: nämlich gemeinsame Momente und Erfahrungen mit liebenswerten Menschen (Verbundenheit) und Beschäftigung mit deinen persönlichen Interessen (Wachstum)?

Genau solche Fragen stellen sich aber die Menschen, die trotz derselben (teilweise schrecklichen) Umwelt psychisch gesund sind, sich nicht unterkriegen lassen und resilient sind. Diese Menschen ziehen ihre Widerstandskraft gegen noch so große Schwierigkeiten des Lebens aus der Erfahrung, dass es ihnen immer wieder gelungen ist, Verbindungen zu Menschen oder Gruppen aufzubauen oder dass sie selbst an Aufgaben gewachsen sind.

Sie konnten also einen Großteil ihrer psychischen Grundbedürfnisse befriedigen. Ihnen ist es gelungen, trotz aller Gegenwinde in dieser oftmals kaputten und sinnlos erscheinenden Welt ihre Gestaltungslust und Begeisterung zu bewahren und ein Gefühl der Sinnhaftigkeit und der Bedeutsamkeit ihrer selbst zu entwickeln.

Gut Ding will Weile haben

Durch das Wissen der letzten Kapitel wird auch klar, dass wir mit unseren Gedanken und Worten gegenüber anderen sehr achtsam umgehen sollten: Je nach dem können wir uns selbst oder unser Gegenüber im wahrsten Sinne kränken oder stärken – und die Natur leidet am Ende mit (durch die notwendig werdenden Ersatzbefriedigungen beim Gegenüber).

Stell dir vor, du hast Salat gepflanzt, der nicht gut wächst. Anstatt dem Salat die Schuld zu geben, wirst du viel eher nach Ursachen suchen für das ausbleibende Wachstum. Er könnte mehr oder weniger Wasser, mehr oder weniger Licht oder etwas Dünger benötigen. Jedes Verhalten – egal ob Pflanze oder Lebewesen – hat Gründe. Nur (er)kennen wir diese nicht immer und neigen deshalb bei unseren Mitmenschen dazu, ihnen die Schuld für „falsches“ Verhalten zu geben. Aber auch sie sind nur das Resultat ihrer äußeren Einflüsse. Schuldzuweisungen und laute Worte führen zu nichts. Wenn du dich aber in Verständnis und Empathie übst und dich um deine Mitmenschen kümmerst, werden sie gut wachsen können – wie auch der Salat.

Angelehnt an Thich Nhat Hanh, buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker

Was wir tun können

Wenn du dir für deine Mitmenschen wünschst, dass sie gesünder werden und sich ökologisch nachhaltiger verhalten, hilft anschreien und wütend sein recht wenig. Hilfreich ist aber, sie dabei zu unterstützen, dass sie sich wohler fühlen – z. B. durch liebe Worte, gemeinsame Zeit, Hilfe bei Projekten etc. – und damit Ersatzbefriedigungen unattraktiver werden.

Die Veränderung wird selten von heute auf morgen stattfinden. Du hast dein Leben sicherlich auch stückweise umgekrempelt. Deshalb sei geduldig, lade freundlich ein und inspiriere, statt mit dem erhobenen Weisheitsfinger zu mahnen. Druck bringt keine nachhaltige Veränderung.

Klein anfangen, zum Beispiel…

Photo by Lina Trochez on Unsplash