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Solawi: Die solidarische Bio-Gemüsekiste

Solawi Solidarische Landwirtschaft Erklärung Erfahrungsbericht
Geschrieben von Leena

Wie funktioniert solidarische Landwirtschaft? Was ist der Unterschied zur rollenden Gemüsekiste? Nach einem Jahr Pilotprojekt Solawi ziehen wir positive Bilanz.

Seit über einem Jahr kaufe ich kein Gemüse im Supermarkt mehr. Stattdessen mache ich mich jeden Samstag auf den Weg: Am Fluss entlang Richtung Süden, vorbei am Wildgehege, durch die alte Allee bis zum großen grauen Tor. Dahinter befindet sich die solidarische Landwirtschaft, die so genannte Solawi, bei der ich seit Februar 2020 Mitglied bin. Auf den Feldern und im selbst gebauten Gewächshaus wächst unser Gemüse. Nach streng ökologischem Anbau, in Sechs-Felder-Wirtschaft, unter den fachkundigen Händen des Landwirts. Er hat den Betrieb von seinem Vater übernommen und führt ihn im Nebenberuf, weil er vom Gemüseanbau allein nicht leben kann. Mit der Solawi startete er ein Pilotprojekt mit allen Beteiligten für regionales und saisonales Bio-Gemüse. Nach dem Jahr Laufzeit ziehen wir alle eine sehr positive Bilanz.

Was ist eine Solawi?

Solawi steht für solidarische Landwirtschaft, bei der die Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben werden, sondern direkt in einen eigenen, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf fließen. Solawi ist eine gemeinsam getragene Landwirtschaft, bei der biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Das heißt, alle Mitglieder teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte. Ziel ist eine vielfältige, qualitativ hochwertige und nachhaltig ökologisch produzierte Gemüseversorgung für alle Teilnehmer*innen. 

Unterschied zwischen rollender Gemüsekiste und Solawi

Bei den rollenden Gemüsekisten werden Erzeugnisse verschiedener Betriebe verkauft. Die Produkte können regional sein, müssen sie aber nicht. Der Preis geht nach Produktmenge, d. h. für 15 Euro pro Woche enthält die Gemüsekiste eine bestimmte Menge Obst bzw. Gemüse. Fällt die Ernte bei einem Hof gering aus, wird Gemüse zugekauft, um den Wert der Kiste zu „füllen“.

Die Solawi funktioniert hier anders, nämlich nach dem Prinzip einer Genossenschaft: Die Beteiligten zahlen einen Beitrag, der das ganze Wirtschaftsjahr finanziert und dem Landwirt die Planung erleichtert. Als Verbrauchergemeinschaft tragen alle Beteiligten die Verantwortung und das Risiko für die Produktion, die Ernte wird geteilt. Unabhängig davon, wie viel Kilo später in der Solawi-Kiste sind – der Beitrag bleibt gleich. Fällt die Ernte gut aus, bekommen alle einen größeren Anteil. Fällt die Ernte schlecht aus, bekommen alle weniger. Für den Landwirt, der in jedem Fall die Kosten und Arbeit hatte, bedeutet dieses Modell finanzielle Sicherheit. Und mehr Freiheit, qualitativ hochwertiges Bio-Gemüse zu fairem Preis zu produzieren.

Anbau, Sorten & Bereitstellung der Gemüsekisten

33 verschiedene Sorten Gemüse hat unser Landwirt geplant. Diverser Kohl (Rot-, Weiß-, Rosen-, Wirsing) über Zucchini, Rote Bete, Fenchel, Sellerie, Möhren, Tomaten, Gurken, Lauch, Zwiebeln, Kartoffeln, Mais, Mangold und Salate bis zu Petersilie, Peperoni und Schnittlauch. Um die Böden maximal fruchtbar und nährreich zu halten, setzt er auf Sechs-Felder-Wirtschaft beim Fruchtwechsel. Um das noch zu unterstützen, wird eigenes Saatgut durch Reproduktion entwickelt – oder auch mal mit Anderen getauscht. Der Landwirt achtet darauf, dass die Qualität hoch bleibt und die Sorten gut sind. Gedüngt wird, wo es nötig ist, mit eigenem Kompost oder Pferdemist. 

Die Auswahl ist reichlich und abwechslungsreich. Im Sommer gibt es wöchentlich eine Kiste Gemüse – teilweise ist es so viel, dass ich an Freunde weiterverteilen musste. Die Fülle an Tomaten habe ich in Gläser eingemacht und hatte so den ganzen Winter über eigene Tomatensoße. Ebenso ging es mit dem eingefrorenen, klein gehackten Schnittlauch und der Petersilie. Im Winter gibt es alle zwei Wochen eine Gemüsekiste. Entgegen des Gerüchtes „Im Winter gibt es dann nur noch Kohl!“ haben wir durch den guten Anbauplan und die Lagerung bis in den März hinein noch Kartoffeln, Karotten, Sellerie, Wintersalate und natürlich auch Kohl und eigenes Sauerkraut. All das in kleineren Mengen als im Sommer, aber gut ausreichend.  

Von Anfang April bis Mitte Mai geht die Solawi in die „Anpflanz- und Wachstumspause“. Wenn ich anfangs schrieb, ich kaufe kein Gemüse im Supermarkt, muss ich das auf „fast kein Gemüse“ revidieren. Sehr selten kaufe ich zu: In den Wintermonaten stocke ich mein Gemüse durch die lokale Lebensmittelrettung auf. Und hin und wieder aus dem Supermarkt mit Gemüse, das in der Solawi nicht angebaut wird, z. B. Pilze oder Knoblauch. Das allerdings selten, vielleicht einmal alle 2 Monate, und dann auch im Sommer.

Was tut man in der Solawi?

In der Vereinbarung, die alle zehn Parteien unterschrieben haben, steht:

„Die Solawi (…) steht für eine gemeinsam getragene Landwirtschaft, bei der die biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Die Landwirte und die Teilnehmer, die durch ihre Teilnahme zu Mitbauern werden, sorgen gemeinsam dafür, dass dieses Ziel erreicht wird.“

Das heißt konkret: Wir bringen uns aktiv ein, mit Engagement und eigener Arbeitskraft. Zwiebeln stecken im April, Gewächshaus und Freilandflächen bepflanzen im Mai, Kartoffelernte, Ernte des Lagergemüses und eigenes Sauerkraut machen im Oktober bzw. November. Dazu kommen Termine wie Unkraut jäten, Hecken schneiden oder Grundstückpflege allgemein.

„Wir wollen, dass unser Sohn lernt, woher das Gemüse kommt und was man dafür tun muss, dass es wächst“, sagte einer unserer Teilnehmer. Auch ich habe einiges gelernt. Nicht nur, wie man Sauerkraut macht, sondern auch über das Gemüse, die richtige Lagerung und über Sorten, die ich vorher noch nicht kannte, wie den Wintersalat „Postelein“.

Für mich ist das Helfen nicht nur eine schöne Abwechslung zum Bürojob. Ich mag die Arbeit, denn sie macht mir auch den Wert des Gemüses bewusst. Ich freue mich, wenn ich „unsere“ Felder sehe und wie die Pflanzen wachsen. Wie sie sich wieder wohlfühlen, nachdem wir zuvor stundenlang Unkraut ausgezupft haben. 

Solawi: Eine gelungene Alternative

Für uns ist das Pilotprojekt „Solawi“ erfolgreich gelaufen. Die Qualität des Gemüses ist unglaublich, der Geschmack nicht zu vergleichen und die Menge war wirklich reichlich – auch wenn einige Sorten in diesem Jahr weniger Ertrag hatten. Wir zahlen aktuell 15 Euro pro Woche, für 2 bis 10 Kilogramm Gemüse pro Woche, weniger im Winter, mehr im Sommer, die Wachstumspause von April bis Mai nicht eingerechnet. Unser Landwirt ist sehr zufrieden, über die Unterstützung, die finanzielle Planbarkeit und auch, dass „alles Gemüse weggeht, sogar die hässlichen Karotten“. Er plant, noch mehr Land zu pachten und die Solawi zu erweitern.

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