CSR Unternehmen

Nachhaltigkeits-Kommunikation & Analysen: Interview mit Alexander Hain von Fairfood

Geschrieben von Florian

Alexander Hain studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bamberg. Seit 2011 arbeitet er für die gemeinnützige NGO Fairfood International, wo er das Projekt „Wege zur Nachhaltigkeit“ verantwortet. Alexander Hain kennt aufgrund vergangener Tätigkeiten in Unternehmen die freie Wirtschaft sehr gut. Im gegenwärtigen Projekt kann er  seine Kenntnisse und Erfahrungen beider Sektoren vereinen, was für die Arbeit  sehr nützlich ist.

 

Unser aktuelles Konsum- und Lebensverhalten hat langfristig keine Zukunft: Wir verbrauchen knapp 40% mehr Ressourcen als auf der Erde nachwachsen können und die CO2-Emissionen beschleunigt den Klimawandel drastisch. Längst steht fest, dass Unternehmen handeln müssen. Die Politik kann das alleine nicht lösen.

Bei Nachhaltigkeit geht es darum, dass Unternehmen ihr Wirtschaften ökologisch und sozial nachhaltig gestalten und nicht darum, die Gewinnverwendung sozialer zu gestalten. Denn nur eine gesamthafte Reduktion der Ressourcenverwendung und Umweltbelastung schafft ein sich selbst regenerierbares und somit nachhaltiges System. Dabei ist Nachhaltigkeit zudem unternehmerisch ein erstrebenswertes Ziel. Diverse empirische Studien belegen, dass Nachhaltigkeit einen positiven Effekt auf die Unternehmens-Performance, auf das öffentliche Ansehen, auf Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität und auf Kunden hat.

Es handelt sich dennoch um einen komplexen Prozess, der das gesamte Unternehmen betrifft. Fairfood International hat diese Herausforderung erkannt und unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aus der Lebensmittelindustrie kostenlos (!) beim Weg in die Nachhaltigkeit. Über dieses Projekt namens „Wege zur Nachhaltigkeit“ spricht Alexander Hain von Fairfood International im Interview.

 

Florian: Kostenlos kann/konnte ich um ehrlich zu sein erstmal nicht glauben. Wie macht Ihr das? Wer zahlt für das Projekt bzw. das Projektteam?

Alexander:

Fairfood International ist eine gemeinnützige Non-Profit Organisation, die sich die Förderung von Nachhaltigkeit im Lebensmittelsektor auf die Fahnen geschrieben hat. Um als NGO neutral und glaubwürdig bleiben zu können, nehmen wir generell keine Gelder der Lebensmittelindustrie entgegen. Jedoch denken wir, dass der konstruktive und manchmal auch kritische Dialog mit der Industrie der richtige Weg ist. In unserem Projekt „Wege zur Nachhaltigkeit“ unterstützen wir Unternehmen dabei das Thema Nachhaltigkeit anzugehen und umzusetzen. Dabei werden wir von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt und gefördert.

 

Florian: Was ist Euer Ansatz/Anspruch bei dem Projekt? Was ist konkret der Nutzen für teilnehmende Unternehmen (KMU)? Welche Themen bietet Ihr an?

Alexander:

Viele Unternehmen insbesondere kleine und mittelständische benötigen Hilfestellungen, sich dem sehr komplexen und umfangreichen Thema Nachhaltigkeit zu nähern. Auch das Einarbeiten in gewisse Themenbereiche wie Berichtserstattung, Verhaltenskodizes oder Stakeholderintegration fallen, KMU auf Grund von fehlenden Ressourcen oft schwer. Wir wollen erste Hilfestellungen beim Thema Nachhaltigkeit leisten. Die eigentliche Umsetzung sollen die Unternehmen jedoch in eigener Verantwortung vornehmen. Dabei kommen auch unsere Fachpartner ins Spiel, die die Unternehmen in den Themenbereichen kompetent beraten können. Unsere Themen im Projekt wurden gemeinsam mit Unternehmen der Branche identifiziert und erarbeitet. Es gibt Arbeitskreise zum Basiswissen wie Nachhaltigkeitskommunikation, Nachhaltigkeitsmanagement und Stakeholderprozesse und lösungsorientierte Arbeitskreise wie Code of Conduct und Hot-Spot Analyse. Zudem haben wir einen branchenspezifischen Arbeitskreis zum Thema Kaffee eingerichtet.

 

Florian: Die Themen bzw. Arbeitskreise klingen sehr spannend. Fangen wir mit der Nachhaltigkeitskommunikation an.
Wie wichtig sind die interne Kommunikation und eine Stakeholder-orientierte Kommunikation? Was gilt es dabei zu beachten? Wer sind relevante Stakeholder?

Alexander:

Als Stakeholder bezeichnet man die Akteure, die im sozioökonomischen Umfeld des Unternehmens stehen. Die Stakeholder sollten im Nachhaltigkeitsengagement stets integriert sein. Die Global Reporting Initiative (GRI) stellt in der neuen Richtlinie G4 bspw. die besondere Wichtigkeit bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung heraus. Ohne Stakeholderintegration kann man Nachhaltigkeit nicht konsequent und glaubwürdig umsetzen. Wer genau die relevanten Stakeholder des Unternehmens sind, kann man so per se nicht sagen. Das gilt es für jedes Unternehmen selbst herauszufinden. Hierzu sollten zunächst die Stakeholder identifiziert und analysiert werden. Kunden, Eigentümer und Mitarbeiter sind jedoch bei allen Unternehmen als relevante und wichtige Stakeholder zu nennen. Insbesondere die Mitarbeiter sind in Bezug auf Nachhaltigkeit äußerst wichtig. Denn Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe im Unternehmen und kann nur in Zusammenarbeit aller Mitarbeiter im Unternehmen umgesetzt werden. Daher ist die Kommunikation der Nachhaltigkeitsaktivitäten innerhalb des Unternehmens auch so unheimlich wichtig. Zudem motiviert die Tatsache für ein Unternehmen zu arbeiten was nach Nachhaltigkeit strebt, die Mitarbeiter in der täglichen operativen Arbeit und stärkt das Vertrauen in den Arbeitgeber.

 

Florian: Beim Nachhaltigkeitsmanagement geht es um die Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen. Welche sind hierbei die wesentlichen Erfolgsfaktoren (und Tätigkeiten)?

Alexander:

Um das Thema konsequent und wirkungsorientiert anzugehen, sollte Nachhaltigkeit ein Teil der Unternehmensstrategie sein. Zudem muss es sich über diverse Abteilungen erstrecken und durch eine zentrale Stelle gebündelt werden. Diese sollte direkt an die Geschäftsführung berichten. Hierzu ist ein top-down Ansatz wohl die beste Herangehensweise, also die Geschäftsführung nimmt sich dem Thema federführend an. Jedoch sehen wir bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig einen bottom-up Ansatz. Einzelne Personen, die das Thema im Unternehmen verantworten und dafür brennen, stehen auf verlorenem Posten. Sie sind im Marketing, PR oder Einkauf verortet und haben weder die Weisungsbefugnis für andere Abteilungen noch findet ein regelmäßiger abteilungsübergreifender Austausch zum Thema statt. Dies macht es dem Zuständigen oft unmöglich Nachhaltigkeit im Unternehmen zu verankern, Mitstreiter zu finden und das Thema konsequent umzusetzen.

 

Florian: Eine weitere Arbeitsgruppe nennt sich „Code of Conduct“. Was verbirgt sich dahinter und – einfach gesprochen – was bringt es?

Alexander:

Die durch den Code of Conduct auferlegte freiwillige Selbstverpflichtung, die über die Einhaltung von geltenden Gesetzen hinausgeht und dabei Integritätsrichtlinien formuliert, hat unter anderem das Ziel und Potenzial ein Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen innerhalb der Organisation und entlang der Lieferkette zu schaffen. Die Formulierung und Einführung eines solchen Code of Conduct kann auf verschiedenen Wegen erfolgen und individuell an Ihr Unternehmen angepasst werden. Ein Code of Conduct ist eine Maßnahme, die ein Unternehmen zu Beginn der Nachhaltigkeitsaktivitäten umsetzen sollten. Im Anschluss folgt die eigentliche Bearbeitung und Umsetzung bspw. in der Lieferkette.

Länder am Frühstückstisch (Quelle: CSCP)

 

Florian: Ihr bietet Unternehmen auch eine Hot-Spot Analyse an. „Hot-Spots“ sind hierbei Orte, die im Sinne der Nachhaltigkeit entweder problematisch oder gefährlich sein können. Wie wichtig das eine solche Analyse ist, zeigt wie viele Länder am Frühstückstisch vertreten sind (siehe Grafik). Aber der Transport ist sicherlich nur ein Aspekt.

Kannst Du uns die Hot-Spot Analyse als Nachhaltigkeitstool erklären? Welche Aspekte bzw. Kategorien gibt es, die es zu untersuchen gilt? Wo stecken Nachhaltigkeitspotenziale?

 

Alexander:

Im Projekt werden keine kompletten Hot-Spot Analysen zu Rohstoffen durchgeführt. Jedoch möchten wir kleinen und mittelständischen Unternehmen durch unseren Arbeitskreis Hot-Spot Analyse das Nachhaltigkeitstool Schritt für Schritt näher bringen und anwendbar machen. Die Hot-Spot Analyse hat das Ziel der Identifikation und Realisierung der Nachhaltigkeitspotenziale entlang der (Produkt-)Wertschöpfungskette. Dabei werden die ökologischen und sozialen Hot-Spots identifiziert und dienen als Ausgangsbasis für die Verbesserung. In diesem Zusammenhang werden feste Kategorien benannt, auf die man sich in der Wertschöpfungsbetrachtung konzentriert. Diese können prinzipiell frei gewählt werden. Es bietet sich jedoch an, folgende Kategorien zu untersuchen: Material, Wasser, Treibhausgasemissionen, Arbeitsbedingungen, Soziale Sicherheit, Verbrauchergesundheit. Die Schritte der Wertschöpfungskette, in denen die Kategorien untersucht werden, sind neben Transport zudem Landwirtschaft (Rohstoffgewinnung), Produktion (Verarbeitung) und der Konsum (End of Life). Die Hot-Spot Analyse verringert die Komplexität bei der Lebenszyklusbetrachtung eines Rohstoffes. KMU können diesen Ansatz nutzen, die eigenen Produkte und Rohstoffe genauer zu untersuchen.

 

Hot-Spot Analyse: Nachhaltigkeitspotenziale (Quelle: CSCP)

 

Florian: Gegeben ein Unternehmen hätte Interesse mit Euch zusammenzuarbeiten. Was bietet Ihr dieses Jahr noch an?

 

Alexander:

In diesem wie auch im nächsten Jahr bieten wir noch mehrere Online-Seminare (Webinare) zu verschiedenen Themen an. Auf unserer Projektwebseite findet, man unter „Mitmachen“ das komplette Projektangebot. Zudem haben Unternehmen die Möglichkeit mit uns einen Nachhaltigkeitscheck zu machen. Der Check ermöglicht den Unternehmen einen ersten Überblick über ihren Stand in der Diskussion um nachhaltige Lieferketten und identifiziert dringende Problembereiche sowie vorhandene Lösungsoptionen. Der Nachhaltigkeitscheck ist wie das gesamte Projektangebot für kleine und mittelständische Unternehmen der Lebensmittelindustrie kostenlos und unverbindlich.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch und auf dass Ihr viele Unternehmen mit dem Projekt erreicht.

Weitergehende Informationen stehen unter Wege zur Nachhaltigkeit. Die Hot-Spot Analyse ist hier im Detail erklärt.

 

Artikelbild: morguefile.com