Umdenken

Die Abwesenheit von Lärm

Geschrieben von Matthias

Die Abwesenheit von Lärm nennt man Stille. Der Duden beschreibt Stille als einen „durch kein lärmendes, unangenehmes Geräusch gestörten [wohltuenden] Zustand“.

Doch wo erleben wir in der heutigen Zeit noch diesen wohltuenden Zustand? Einen Zustand absoluter Stille.

Habe ich ein Recht auf Stille?

Vergangenes Jahr gab es eine rege Debatte zum Verbot von Motorrädern in bestimmten Bereichen oder in gewissen Zeiträumen, um die Anwohner vor deren Lärm zu schützen. Dabei erzeugen nicht nur Motorräder, auch andere Fahrzeuge, teilweise gewaltige Geräuschkulissen. Gerne wird hier auch etwas nachgeholfen, so dass das eigene Auftreten noch lautstärker untermalt wird. Stellt man diesen Drang zu einem lautstarken Auftreten in Frage, wird schnell die Freiheits-Keule geschwungen, gilt beispielsweise Motorrad fahren doch als der Inbegriff von Freiheit.

Wer die Definition von Freiheit im Artikel 2 des Grundgesetzes liest, fühlt sich bestätigt, da dort geschrieben steht, dass jeder „das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ habe. Liest man jedoch weiter, steht im gleichen Artikel, dass dieses Recht nur eingeräumt wird, sofern dies „nicht die Rechte anderer verletzt“.

Die Frage, die man sich also stellen muss: Wer hat mehr Recht auf Freiheit? Die Anwohnerin eines Alpendorfs, die nach dem langen Arbeitstag ein paar Stunden Ruhe genießen will, oder die freiheitsliebende Motorradfahrerin, die Ihren Feierabend auf dem Motorrad verbringen möchte? Beide sehen ihre Lebensweise als ihr Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Multiple Störfaktoren

Dabei sind Lärmquellen so vielfältig wie die damit einhergehenden Klagen. Von A wie Abrissarbeiten bis Z wie Zeltplatz. Für nahezu alle Gegebenheiten gibt es eine Vorschrift oder ein entsprechendes Gerichtsurteil.

  • Rasenmäher, Freischneider oder Laubbläser dürfen in RLP an Werktagen nur zwischen 9 Uhr und 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhrbetrieben werden (Ausnahmen gelten teilweise für elektrisch betriebene Geräte oder Geräte für gewerbliche Nutzungen)
  • Die Nachtruhe dauert in Deutschland im Allgemeinen von 22 Uhr – 6 Uhr (Eine besonders amüsante Ausnahme regelt die Bayerische Biergartenverordnung, die eine abweichende Nachtzeit von 23 Uhr bis 7 Uhr vorsieht)
  • In seinem Urteil vom 26. Oktober 2018 (Az.: VZR 143/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgehalten, dass sich Berufs- und Hobbymusiker grundsätzlich an die im jeweiligen Bundesland geltenden Mittags- und Nachtruhezeiten halten müssen. Außerhalb dieser Ruhezeiten darf an Werktagen bei zwei bis drei Stunden sowie an Sonn- und Feiertagen bei einer bis zwei Stunden musiziert werden.
  • Auch das Einwerfen von Glas in den Altglas Container ist zeitlich geregelt (steht meist auf dem Container).

Das sind nur ein paar Beispiele. Nur in seltenen Fällen kann eine Lärmquelle gar nicht angegangen werden. Zu den unanfechtbaren Ruhestörungen zählen beispielsweise Kinderlärm oder ein krähender Hahn (im ländlichen Raum).

Aber selbst wenn es sich eindeutig um eine Lärmbelästigung handelt, dann ist die Beweispflicht meist nicht ganz trivial und deren Sanktionierung steht noch einmal auf einem anderen Blatt. Häufig sind selbst die Messverfahren völlig realitätsfremd, wie die Messung der der Lärmpegel bei Autos oder Motorrädern beweisen. Manche PS starken Autos besitzen sogar die Möglichkeit die Lautstärke gezielt via Knopfdruck zu steuern, was jede offizielle Messung ad absurdum führt.

Was ist Lärm überhaupt?

Bleibt zudem die Frage, was überhaupt ist Lärm und ab wann ist dieser unangenehm, denn Lärm wird sehr subjektiv wahrgenommen. Zudem wird er von jedem Betroffenen unterschiedlich (un-)angenehm empfunden. Auch die Zeitdauer, für die ein Geräusch auftritt (kurzes Geräusch oder ständiges Auftreten) ist entscheidend.

Als Messgröße für die Lautstärke wird Dezibel (dB) verwendet, was den physikalisch messbaren Schalldruck angibt, der auf das Trommelfell einwirkt. Besondere Vorsicht ist bei der Bewertung etwaiger Lärmänderungen geboten, da es sich bei der Dezibel Skalierung um eine logarithmische Einteilung handelt. Ein Anstieg um 10dB bedeutet also eine Verzehnfachung des Ausgangswertes. Wenn beispielsweise über eine Zunahme von „lediglich“ 3dB gesprochen wird, dann beutet dies eine erheblich höhere Lärmbelästigung. So kann ein „nur 3dB“ lauterer Straßenbelag in der Ortschaft schon für eine erheblich unruhigere Nacht sorgen.

Wenn Lärm krank macht

In diversen Studien wurden Beeinträchtigungen von Schlaf und Konzentration, Stoffwechsel oder dem Hormonhaushalt nachgewiesen. Auch Auswirkungen auf den Blutdruck oder die Gehirnströme wurden bereits bestätigt. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns für mehr Ruhe im Alltag einsetzen.

Unser Ohr ist für den Körper eine Art Alarmanlage die auch eingeschaltet bleibt während wir schlafen. Da uns nachts die Wahrnehmung über das Auge fehlt, reagiert unser Hörempfinden noch empfindlicher. Daher werden Geräusche auch während dem Schlaf wahrgenommen und verarbeitet, selbst wenn wir diese vielleicht nicht bewusst wahrnehmen. Das Gehirn wertet die aufgenommenen Schallwellen aus und interpretiert diese, vor Allem wenn sie unerwartet auftreten, als Zeichen von Gefahr. Darauf reagiert unser Körper und unser Herz-Kreislauf System. Unmerklich wird beispielsweise die Muskelanspannung erhöht, die Atmung beschleunigt und es werden verstärkt Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol ausgeschüttet.

Doch auch im Alltag sind wir immer häufiger ungesundem Lärm ausgesetzt. Selbst wenn wir noch so vergesslich sind oder den Tag nach dem Konzert denken unser Gehör hätte die Lautstärke sehr gut verkraftet, unsere Ohren vergessen nicht. Das Gehörte summiert sich über Jahre auf, weshalb Hörschäden häufig auch erst mit zunehmendem Alter auftreten.

Leider kann unser Ohr nicht einfach „dicht machen“, wie das Auge, um sich zu schützen. Deshalb müssen wir unserem Gehör ganz bewusst öfter einmal etwas Ruhe gönnen, damit es uns möglichst lange erhalten bleibt. Doch wo ist das noch möglich?

Ruheorte schützen

Ist es nicht eine schreckliche Vorstellung keinen Ort zu haben an dem wir wirkliche Stille genießen können? Wenn ich einen Ort absoluter Stille nennen müsste, mir würde nur der Wald einfallen. Natürlich müsste dieser etwas größer sein, weit genug entfernt von großen Straßen, ohne Windkraftanlagen und nicht in der Nähe eines Flughafens und anderen Störfaktoren. Aber wenn überhaupt, dann dort.

„Im Wald triffst du keine anderen Menschen, die dir voll auf den Sack gehen, und bist nicht gezwungen, Plakate zu lesen, Werbung in deinen Kopf zu lassen und anschließend bei Amazon einzukaufen. Die Natur will dir nichts verkaufen. Du sollst nur sein, im Hier und Jetzt. Glücklich.“ Das schrieb Charlotte Roche in Ihrer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung.

Wir sollten also darauf achten uns diese Orte der Stille zu erhalten. Denn absolute Stille ist ein sehr wichtiges und unterschätztes Gut.

Was jeder tun kann

  • Leute auf ihr Verhalten ansprechen
    Wer jeden Morgen beim Bäcker los fährt als müsse er ein Rennen gewinnen und so die ganze Straße weckt, den sollte man ruhig mal auf sein Verhalten ansprechen.
  • Freiwillig die Geschwindigkeit in Ortschaften reduzieren
    Wer statt 50km/h nur 30km/h in geschlossenen Ortschaften fährt senkt den daraus resultierenden Verkehrslärm um 3 bis 4 Dezibel (dbA) was in Etwa einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms entspricht.
  • Rücksicht nehmen
    Lärmende Arbeiten in „verträgliche Zeitfenster“ verlegen
  • Lärm im Haushalt reduzieren
    Auch bei Haushaltsgeräten kann man auf den durch sie erzeugten Lärmpegel achten. Achte daher beim Neukauf auf die Angabe des Schall-Leistungspegels (in dB) und wähle ein Gerät mit möglichst geringem Wert
  • Besen statt Laubbläser
    Gerade die in den vergangenen Jahren immer weiter verbreiteten Laubbläser erzeugen eine enorme Geräuschkulisse. Ein Besen schont neben dem Geldbeutel auch die Umwelt und die Nerven der umliegenden Anwohner.
    Für manche lohnt sich auch der Umstieg auf einen Hand- oder Elektro Rasenmäher. Diese sind aufgrund ihres geringeren Lärmpegels und des nicht vorhandenen Schadstoffausstoßes wesentlich besser für die Umwelt

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