Kaum beginnt der Winter, kann man in den Läden Meisenknödel und Körnerfutter kaufen. Wie man Vögel richtig füttert, was und wie viel, darüber gibt es verschiedene Gerüchte. Welche Tipps gibt es? Wir haben nachgefragt. Bei Markus Erlwein, Pressesprecher beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). Der bayerische Partnerverband des NABU engagiert sich seit über 100 Jahren aktiv für den Artenschutz, den Erhalt von Biotopen, den Klimaschutz und die Umweltbildung.
Leena: Man hört immer wieder, dass man nur bei Frost und Schnee Vögel füttern sollte. Angeblich verlieren sie sonst die Fähigkeit, sich in der Natur selbst Futter zu suchen.
Markus Erlwein: Dieses Gerücht ist ein Ammenmärchen und wissenschaftlich widerlegt. Es stimmt nicht, dass sich Vögel ans Füttern so stark gewöhnen, dass sie dadurch die eigene Futtersuche verlernen. Was dem Füttern zu Grunde liegt, ist folgendes: Vögel verlieren über Nacht 75% ihrer Energie, um sich warm und damit am Leben zu halten. Das bedeutet, dass sie morgens sehr schnell wieder fressen müssen. Seit Tausenden von Jahren finden Vögel ihr Futter selbstständig, auch ohne den Menschen. Dieses Können verlieren sie auch nicht.
Wenn aber der Mensch in der kalten Jahreszeit zufüttert, merken sich die Vögel die Futterstellen. Und natürlich fliegen sie zuerst dorthin, denn je länger sie nach Futter suchen müssen, desto mehr Energie verbrauchen sie. Das Zufüttern rettet keine seltenen Arten. Aber es hilft den häufigsten Garten-Vogelarten, schnell Futter zu finden. Und es unterstützt geschwächte Vögel, die ohne diese Hilfe erfrieren würden.
Welche Regeln gelten für die Vogelfütterung im eigenen Garten?
Markus Erlwein: Grundsätzlich gilt eine Regel: Vögel füttern macht Spaß! Und es tut keinem Vogel weh. Mit dem Füttern sollte man spätestens dann beginnen, wenn im Herbst die Temperaturen das erste Mal auf null Grad fallen. Und man kann problemlos bis zum Frühlingsanfang oder darüber hinaus füttern.
Beachten muss man dabei aber zwei Dinge:
Erstens muss man, wenn man mit dem Füttern anfängt, es auch bis zum Ende durchziehen. Eine Woche füttern, eine Woche nicht, dann wieder eine Woche füttern – das ist nicht gut. Es muss eine Beständigkeit gegeben sein, damit Vögel auch sicher Futter an den Plätzen finden können, die sie sich gemerkt haben.
Zweitens ist die Hygiene am Futterplatz ganz wichtig. Besonders dann, wenn es keinen Frost hat. Dann ist Hygiene das oberste Gebot. Denn wird es wärmer, können durch Kot-Verunreinigungen gefährliche Keime an den Futterplätzen entstehen. Diese schaden den Vögeln. Gerade Grünfinken sind für Einzeller sehr empfänglich.
Wie sorgt man für die richtige Hygiene?
Markus Erlwein: Die herkömmlichen Futterhäuser sollten täglich ausgefegt werden. Chemische Reinigungsmittel sollte man unbedingt vermeiden. Wenn das Haus stark verdreckt ist, kann man es mit heißem Wasser und einer Bürste saubermachen. Sollte wirklich einmal ein toter Vogel an der Futterstelle liegen, muss man sofort mit dem Füttern aufhören. Die Futterstelle muss dann abgebaut und komplett gereinigt werden – natürlich auch wieder ohne Chemikalien. Nach ein paar Tagen Pause, wenn alle Keime verschwunden sind, kann man wieder mit dem Füttern beginnen.
Wie sollte die optimale Futterstelle sein?
Markus Erlwein: Herkömmliche Vogelhäuser sind zwar beliebt, aber in Bezug auf die Hygiene nicht geeignet. Die Vögel setzen sich direkt ins Futter und verrichten dort auch direkt ihr Geschäft. So wird das Futter mit dem Kot verunreinigt.
Viel besser sind Silos oder Futtersäulen, bei denen die Vögel am Rand sitzen, picken und nur mit dem Schnabel ans Futter gelangen. Die Tiere sitzen damit nicht direkt in den Körnern. Futtersilos sind die zeitgemäße Variante. Wer ein Vogelhaus hat, das ihm gut gefällt und auf das er nicht verzichten möchte, sollte es im Winter täglich ausfegen und das Futter ersetzen.
Katzen sind ein Problem.
Markus Erlwein: Genau. Die Futterstelle muss katzensicher aufgehängt werden, damit diese nicht hinauf klettern können. Es darf in der Umgebung auch keine Versteckmöglichkeiten für Katzen geben. Futterstellen am Boden müssen gut einsehbar sein. Trotzdem sollte jede Futterstelle so aufgebaut sein, dass es eine Einflugschneise gibt. Idealerweise befindet sich in der Nähe ein Baum oder Busch, in den die Katze nicht klettern kann. Vögel machen aber sehr gerne vor, während und nach dem Fressen einen Zwischenstopp. In dem Moment an der Futterstelle sind sie unaufmerksam und dabei können sie sich wieder umsehen.
Ich habe gehört, mehrere kleine Futterstellen sind besser als eine große. Warum?
Markus Erlwein: Es gibt drei unterschiedliche Arten von Futter, die drei unterschiedliche Arten von Fressern bedienen:
- Normale Körnerfresser wie Finken oder Meisen. Sie kommen an die Futtersäulen.
- Weichfutterfresser wie Amseln oder Rotkehlchen, die auch Haferflocken, Rosinen und Äpfel mögen. Sie fressen am Liebsten am Boden.
- Vögel, die Energiekugeln oder Fettkuchen (Meisenknödel) fressen, z. B. Meisen, Kleiber oder Buntspecht.
Natürlich frisst jeder Vogel auch an anderen Futterstellen. Wenn man den Platz hat, sollte man das Futter etwas verteilen.
Gibt es beim Futterkauf etwas Spezielles zu beachten?
Markus Erlwein: Ja, und zwar zwei Dinge. Erstens sollte das Futter unbedingt mit dem Siegel „Ambrosiafrei“ versehen sein. Ambrosia ist eine Pflanze aus Amerika, die höchst allergen ist. Viele Menschen reagieren auf Ambrosia, deshalb sollte das Futter gereinigt worden und entsprechen gekennzeichnet sein. Bei extrem billigem Futter kann Ambrosia enthalten sein.
Zweitens ist es leider so, dass man über den Preis die Qualität des Futters erkennt. Sehr günstiges Vogelfutter enthält oft schlechte Fette. Oder es werden Körner oder Sand beigemischt, die Vögel gar nicht fressen, durch die aber das Produktgewicht erreicht wird. Dass das Futter von geringer Qualität ist, merkt man nicht nur am günstigen Preis, sondern auch daran, dass es von den Vögeln nicht angenommen wird. Die Knödel hängen dann ewig und werden nicht gefressen.
Abgesehen vom Füttern im Garten: Was kann man als Privatperson sonst noch für den Vogelschutz in Deutschland machen?
Markus Erlwein: Naturschutz beginnt im eigenen Garten. Das wichtigste ist, keine Gifte einzusetzen und heimische Pflanzen anzusiedeln, im besten Fall Beeren tragende Sträucher. Zum Wohl für die Natur darf man im Garten an einigen Stellen auch mal faul sein. Gern kann eine Ecke vom Rasen ungemäht bleiben. Und man darf Laub liegen lassen. Das hilft nicht nur den Vögeln, sondern auch den Bienen und Igeln.
Naturschutz beginnt auch bei der Lebensweise, die man pflegt. Wie nachhaltig man lebt. Wie verschwenderisch man ist. Wie viel Plastik man konsumiert. Wann und wie oft man Auto fährt. Hier kann man sehr viel bewirken.
Und sehr gerne kann man sich in Naturschutzorganisationen einsetzen. Der LBV engagiert sich in jedem Landkreis in Bayern, der NABU ist außerhalb Bayerns aktiv. Die Ortsgruppen kümmern sich um Biotop-Pflege, Nistkastenkontrollen, Jugendarbeit und sind aktiv beim Schutz bedrohter Arten. Jede Mitgliedschaft und jede Patenschaft ist dabei eine willkommene Unterstützung.
Vielen Dank für das Interview!
Ein kostenloses Faltblatt mit Tipps zum Vogelfüttern im Garten, am Balkon und dem Entefüttern gibt es beim LBV auf dieser Website.
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Artikelbild: Ingo Rittscher, LBV
Profilbild: Nina Meier, LBV