Umdenken

Mit dem Rucksack ins Desaster?

Geschrieben von Matthias

„Das ist mein Sohn, ein kleiner Öko.“

So wurde ich bereits des Öfteren von meiner Mutter liebevoll gegenüber anderen Leuten beschrieben. Doch auch in anderen Zusammenhängen habe ich diesen Titel bereits verliehen bekommen. Seit längerem stellt sich mir daher die Frage, ob dieser Ausspruch wertend zu verstehen ist und wenn ja, ob diese Wertung denn nun negativ, positiv, oder neutral ist. Nach der Betonung und dem Zusammenhang zu urteilen, tippe ich auf neutral mit leicht negativ/verständnislosem Touch.

In der Firma habe ich den Titel verliehen bekommen, weil ich die Plastikfalschen durch Glasflaschen habe ersetzen lassen. Oder auch, weil ich mir zur Arbeit Leitungswasser in Glasfalschen mitbringe. Meine Mutter allerdings, wird davon nichts wissen, muss mir den Titel also eher aufgrund meiner kritischen Leserbriefe und Kommentare hinsichtlich Konsum, Klimawandel oder Verkehr verliehen haben. Vielleicht aber auch, weil ich mir immer wieder anmaße ihre Kaufentscheidungen – die sicherlich bereits alles andere als schlecht sind – und die des Rests der Familie, in Frage zu stellen. Im Freundeskreis hingegen, war es sicherlich vor Allem der Umstieg von einem 184PS Mini Cooper zu einem Toyota Auris Hybrid, den die meisten nicht nachvollziehen konnten.

rucksack-materialJetzt habe ich als „so called“ kleiner Öko vor kurzem zufällig meinen ökologischen Rucksack berechnet. Der ökologische Rucksack gibt das Gewicht aller natürlichen Rohstoffe an, die man konsumiert und kann auf der Internetseite des Wuppertal Institut berechnet werden. Dazu gehören dann nicht nur die Dinge die man kauft, sondern auch die Produkte und die Energie, die zur Herstellung, Nutzung und Entsorgung benötigt werden.

Wie auf dem Bild, welches die Auswertung des Rechners zeigt, unschwer zu erkennen ist, liegt mein berechneter Wert nicht nur über dem Durchschnitt, sondern beinahe auf dem doppelten Wert eines vermutlich nachhaltigen Lebensstils. Das „klein“ in „kleiner Öko“, ist also in jedem Fall nicht auf meinen ökologischen Rucksack bezogen.

anzahl-erdenDabei bin ich mit meinem Wert sicher nicht der Einzige. „Earth Overshoot Day“ – schon mal gehört? Das ist ein bestimmter Tag im Jahr, der den Tag markiert, ab dem wir sozusagen auf Kredit leben. Ein Kredit, den wir von unseren Kindern und deren Kindern ohne deren Einwilligung beziehen. Ab diesem Tag übersteigt die menschliche Nachfrage an natürlichen Ressourcen die Kapazität, die uns dieser Planet, diese Erde, zur Verfügung stellt. In diesem Jahr war dieser Tag am 8. August erreicht. Gäbe es keinen Kredit, hätten wir nun also ein gravierendes Problem für den Rest des Jahres. Mit unserer aktuellen Vorgehensweise verlagern wir das Problem an die kommenden Generationen, unsere Kinder.

Die nebenstehende Grafik zeigt; wenn jedes Land nur die Fläche zur Verfügung hätte, die ihm geographisch „zusteht“, dann hätten viele Länder sogar noch schneller ein Problem, als wir hier in Deutschland. Wobei selbst wir in diesem Jahr bereits ohne Kredit, nicht einmal die Hälfte des Jahres erreicht hätten.

Aber zurück zum Thema. All diese Personen in meinem Umfeld, sind sicher keine Klimaleugner, protzige Millionäre oder dergleichen. Wie kommt es dann, dass meine subjektiv als vielleicht übertrieben nachhaltigen Handlungen nicht als positives Beispiel gewertet werden? Warum fällt es vielen Leuten wider besseres Wissens schwer, gemäß ihren Kenntnissen zu handeln? Wieso kaufen Erwachsene erst Bio ein, wenn es um die Kinder geht? Wieso kaufen wir Kleidung von Marken, wo wir genau wissen, dass diese unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt worden sind? Wieso fahren wir Strecken mit dem Auto, die man gut zu Fuß gehen könnte?

Brauchen wir Schockbilder, wie wir sie von den Zigarettenpackungen kennen auch auf anderen Konsumgütern? Vielleicht ein Bild der Massentierhaltung, auf der Packung mit dem eingeschweißten billigen Hackfleisch? Vielleicht ein Bild des minderjährigen Kindes, dass das T-Shirt eingefärbt hat? Dazu dann noch ein Bild des Flusses, nahe der Herstellungsfirma, der sich je nach Farbe der gerade hergestellten Artikel färbt.

Ein passendes Video dazu von einem bemerkenswerten Experiment:

Jetzt lässt sich natürlich einwerfen, dass sich nicht jeder den BIO Kaffee oder das Fair-Trade Shirt kaufen kann. Doch das wäre auch zu kurz gesprungen. Nachhaltigkeit in Punkto Konsum richtet sich in den Leitmedien, wenn überhaupt, lediglich auf die direkten Kaufhandlungen eines jedes Einzelnen und verkennt dabei die Zusammenhänge. Mit einem Bio Produkte erhalte ich neben dem vermeidlich gesünderen Lebensmittel, auch noch die geringere Belastung des Grundwassers. Ich kann, anstelle mich zu fragen, was denn nun das ökologisch beste Waschmittel ist, auch fragen, ob ich überhaupt jeden Tag ein frisches T-Shirt brauche, oder nicht grundsätzlich zu viele habe. Und wenn nicht jedes Kind einen eigenen Fernseher in seinem Zimmer braucht, dann braucht auch nicht anderswo auf diesem Planeten jemand – vielleicht ein Kind – den Fernseher zusammen zu bauen.

Nachhaltigkeit geht oftmals Hand in Hand mit Suffizienz (von lat. sufficere, dt. ausreichen), die nicht wie oft falsch interpretiert, als Verzicht zu verstehen ist, sondern als eine Art Genügsamkeit. Und diese Genügsamkeit spiegelt sich dann auch im ökologischen Rucksack wieder. Nachhaltigkeit lässt sich nicht nur an den persönlichen Kaufentscheidungen messen.

Transformation „by design“ oder „by disaster“?

Eine Frage die Harald Welzer gerne in diesem Zusammenhang stellt. Noch haben wir die Möglichkeit die Transformation unserer Lebensweise zu designen. Anderenfalls überlassen wir unseren Kindern das „Disaster“.

Vielleicht beziehen viele das „kleiner Öko“ auch nur auf einer Art Wertungsskala. Demnach hätte ich also noch Steigerungspotential, um irgendwann ein großer Öko zu werden, womit sie definitiv Recht hätten. Andererseits hoffe ich insgeheim, dass das „große Öko sein“, das neue „normal“ sein wird.

Wer kauft denn schon Gemüse mit Pestiziden, wenn er anderes haben kann? Wer kauft Fleisch mit Antibiotika, wenn er anderes haben kann? Wer verhält sich nicht nachthaltig, wenn er seinem Wissen nach, gewissenhaft handelt?

Das obige Beispiel zeigt dabei anschaulich, das es mit dem „kleinen Öko“ nicht getan ist. In Zeiten in denen viele Abläufe transparent, Wissen frei zugängig und Kommunikation so einfach ist, sollte es ein leichtes sein, diesem Wissen Folge zu leisten.

Da jedoch aller Anfang schwer ist und ich jedem das Recht einräume will als kleiner Öko anzufangen, nimmt euch dieser Blog mit vielen Beiträgen, zu den unterschiedlichsten Themen, an der Hand und zeigt euch Möglichkeiten, einen Anfang zu machen.

Zum Beispiel mit

 

Artikelbild: Unsplash.com, Jake Ingle

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