CSR Unternehmen

Handbuch-Nachhaltigkeit (Folge 9): Change Management bei Nachhaltigkeits-Projekten

Geschrieben von Gast

Geschrieben von Lena Carlota Stenger:

Der Mensch steht im Mittelpunkt bei der erfolgreichen Umsetzung von Nachhaltigkeit in jeder Unternehmung. Change Management zur Begleitung, Unterstützung und Mobilisierung der Organisation kommt daher eine entscheidende Rolle entlang des gesamten Nachhaltigkeits-Projektes zu. Denn ohne die Zustimmung, Offenheit und Handlungsmotivation der Belegschaft sowie wichtiger Interessengruppen kann der gut gemeinte Vorsatz, Nachhaltigkeit praktisch umzusetzen, schnell wirkungslos sein. Aus diesem Grund haben wir einen Exkurs zum Thema Change Management eingeschoben.

Change Management beginnt bereits in der Phase der Entscheidungsfindung. Durch frühzeitiges Informieren und aktives Einbinden wichtiger Interessengruppen und Vorbilder innerhalb der Organisation können wichtige Weichen für das Veränderungsvorhaben gestellt werden. Das Informieren, Mobilisieren und Begleiten der Belegschaft während der Implementierungsphase ist dann wesentlich einfacher zu gestalten und zu steuern.

Im Rahmen der Umsetzung gibt es vor allem 4 wichtige Change Management Wirkungsfelder (siehe Grafik), die kraftvoll das Veränderungsvorhaben unterstützen können:

  • Wirkungsfeld 1: Kommunizieren & Mobilisieren
  • Wirkungsfeld 2: Vorbild Sein & Führen
  • Wirkungsfeld 3: Kultur Entwickeln & Leben
  • Wirkungsfeld 4: Ausprobieren & Lernen

Handbuch Nachhaltigkeit Change Management Umsetzung Unternehmen

Wirkungsfeld 1: Kommunizieren & Mobilisieren

Zu Beginn jedes Vorhabens sollten alle Zielgruppen der Organisation über die gute Absicht, Nachhaltigkeit praktisch umsetzen zu wollen, informiert werden.

Es gilt: Unwissende und Unbeteiligte als Befürworter und Akteure zu gewinnen!

Besonders effektiv ist das, wenn man Vorbilder der Organisation (z.B. Geschäftsführung, starke Führungspersönlichkeiten oder charismatische und akzeptierte Teamkollegen) bereits für die Initiative mit an Bord hat und sie in die aktive Zielgruppenkommunikation als „Fürsprecher“ einbindet.

Dabei ist zu beachten, dass stets das Informationsprinzip „Hören-Verstehen-Verinnerlichen“ gilt. Botschaften sollten daher immer kontinuierlich, aufeinander aufbauend, im Dialog und vor allem zielgruppenorientiert kommuniziert werden.

Kommunikation ist nicht trivial und stellt die Verantwortlichen vor typischen Herausforderungen. Oftmals fehlt es großen Teilen der Belegschaft an Bewusstsein für den Mehrwert von Nachhaltigkeit und für den persönlichen Beitrag, den ein jeder in der Umsetzung leisten kann. Viele hinterfragen zudem, wie Nachhaltigkeit im Einklang mit wirtschaftlichen Verpflichtungen einhergehen kann – dies ist besonders der Fall von privaten Organisationen, die umsatz- und gewinnorientiert arbeiten (müssen). Hierbei verkennen viele die Chancen, die Nachhaltigkeit für Unternehmen mit sich bringt. Bestenfalls hat die Organisation das Thema „Nachhaltigkeit“ in die Unternehmensvision, -ziele und -strategie verankert (mehr dazu im Verlauf der Serie in Phase 1.3). Oftmals fehlt allerdings eine transparente und konkrete Kommunikation, die das Zielbild verständlich und anschaulich an alle Zielgruppen vermittelt. Die Folgen sind eine fehlende Zustimmung und Orientierungslosigkeit über die eigenen Umsetzungsmöglichkeiten.

Wirksame Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • Eine anschauliche und inspirierende Change-Story mit konkreten Kernbotschaften formulieren und als „roten Faden“ für jegliche Kommunikation nutzen
  • Bewusstsein, Verständnis und Motivation der unterschiedlichen Zielgruppen verstehen und die Kernbotschaften zielgruppenorientiert vermitteln
  • Wirksame Kanäle und Medien zur dialogorientierten Vermittlung der wichtigen Botschaften identifizieren (z.B. offline, online, Social Media, Face-to-Face)
  • Vision und Strategie visuell und sprachlich für die Zielgruppenkommunikation aufbereiten
  • Informationsreiche Veranstaltungen für intensiven Austausch organisieren
    (z.B. Nachhaltigkeits-Konferenz)
  • Ideen- und Feedback-Kanäle anbieten, auswerten und Ergebnisse zeitnah zurückspielen

Wirkungsfeld 2: Vorbild Sein & Führen

Menschen orientieren sich beim Handeln gerne und häufig an Vorbildern – besonders an starken Führungskräften, die klare Ziele und Umsetzungswege vermitteln können und mit gutem Beispiel in ihrem täglichen Tun vorausschreiten.

Daher ist das bewusste Einbinden von Führungskräften oder starken Vorbildern, die nicht unbedingt Führungsverantwortung ausüben, zur Umsetzung von Nachhaltigkeit erfolgskritisch. Fehlen leuchtende Vorbilder, zu denen man hoch schauen kann oder die zur Handlungsmotivation inspirieren, verpufft die gute Absicht der Unternehmensführung häufig, bevor sie überhaupt gestartet ist.

Die Gefahr ist dann hoch, dass die Belegschaft sich weiterhin an den sogenannten „Beschützern der alten Welt“ orientiert, die häufig die konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeit zu Gunsten von rein wirtschaftlichen Faktoren nach unten priorisieren.

Nachhaltigkeit muss daher glaubwürdig durch starke und/oder beliebte Vertreter der Organisation an Führungskräfte und Mitarbeiter vermittelt werden. Im besten Fall ist Nachhaltigkeit eine Kernkompetenz des gesamten Vorstands und aller Führungskräfte. Dafür bedarf es einen echten Sinneswandel auf allen Führungsebenen gleichermaßen.

Es gilt: Leuchtende Vorbilder auf möglichst allen Führungsebenen zur breiten Mobilisierung der Belegschaft zu etablieren!

Wirksame Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • Das Sponsoring oder die Projektverantwortung für Nachhaltigkeit als zentrale Vorstands- oder Geschäftsführungsaufgabe gestalten
  • Nachhaltigkeit als (messbare) Ziele für Führungskräfte oder zur Teamführung verankern (z.B. jährliche Zielvereinbarung)
  • Führungskräften ausreichend Projektbudgets und -teams zur Umsetzung von Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen
  • Führungskräfte Workshops zu Nachhaltigkeits-Projekten anbieten

 

Wirkungsfeld 3: Kultur Entwickeln & Leben

Die erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeit ist kein kurz- oder mittelfristiges Projekt, sondern ein langfristiger Entwicklungsprozess – der wortwörtlich nachhaltig gestaltet werden muss. Nachhaltiges Change Management bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Beteiligten konsequent die Umsetzung der gemeinsamen Vision verfolgen und dabei stets Mut und Ausdauer beweisen – insbesondere im Fall von (wirtschaftlich) herausfordernden Umbruchszeiten.

Das bewusste Anstoßen und Gestalten eines mentalen Veränderungsprozesses bei allen Zielgruppen kann das Vorhaben nachhaltig positiv beeinflussen. Nachhaltigkeit muss daher in der Organisationskultur fest verankert und im täglichen Handeln gelebt werden. Das ist eines der schwersten Unterfangen für jedes Unternehmen – denn es erfordert starke Überzeugungskraft seitens der Organisation und hohe Handlungsmotivation eines jeden Einzelnen. Dabei ist zu beachten, dass jeder Mensch unterschiedliche persönliche Entwicklungsphasen durchläuft und die mentale Beeinflussbarkeit nur bedingt durch externe Impulse möglich ist.

Ein Unternehmen kann allerdings nützliche Impulse anbieten, die Menschen zum Umdenken und Handeln anregen können, wie zum Beispiel:

  • Nachhaltigkeit nach dem Motto „Rede nicht nur darüber, sondern tue Gutes“ gezielt vorleben
  • Sich mit anderen in einem offenen und kontinuierlichen Dialog über Ziele und Wirkungen austauschen
  • Nachhaltigkeit stark zu emotionalisieren, um damit das Herz der Menschen zu berühren.

Es gilt: Das Herz ist unser SINN-Organ!

Weitere wirksame Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • Vision und Werte so gut wie möglich zu konkretisieren (Beispiele, Symbole, Bilder, Aktionen, Botschaften etc.), mit Handlungsmöglichkeiten bestücken und im zielgruppenorientierten Dialog vermitteln
  • Die aktuelle und die zielgebende Organisationskultur verstehen, mögliche Lücken identifizieren und eventuelle Change Management Maßnahmen daraus ableiten
  • Einen langfristigen Change Management Fahrplan gestalten, der bestenfalls auf einer Ist-Soll-Kulturanalyse aufbaut sowie zielgruppenorientiert und flexibel gestaltet ist (kein „in Stein gemeißelter Fahrplan“)
  • „SINNstiftende“-Workshops mit allen beteiligten Zielgruppen durchführen, zur Entwicklung einer gemeinsam gestaltenden Kultur
  • Prozesse und Organisationstrukturen entsprechend der Nachhaltigkeits-Ziele anpassen

Wirkungsfeld 4: Ausprobieren & Lernen

Die Definition gemeinsamer Nachhaltigkeits-Ziele innerhalb einer Organisation ist im Vergleich zur erfolgreichen praktischen Umsetzung im alltäglichen Organisationsleben ein Kinderspiel. Denn in der Umsetzung sind viele Beteiligten über ihren persönlichen Beitrag, den sie leisten können, unsicher. Oftmals scheitert eine erfolgreiche praktische Anwendung an so einfachen Fragen, wie zum Beispiel „womit und wann starte ich?“ oder „wie integriere ich praktische Umsetzung von Nachhaltigkeit in meinen beruflichen Alltag?“

Zudem fehlen vielen Beteiligten echte Möglichkeiten im beruflichen Alltag, um das „neue Handeln“ auszuprobieren oder diese werden schlichtweg nicht wahrgenommen. Praxisbeispiele aus anderen Organisationen oder von anderen Beteiligten werden nicht ausreichend als wertvolle Erfahrungen vermittelt. Organisationen tun sich oftmals schwer,  über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und sich von anderen erfolgreichen Organisationen inspirieren zu lassen. Die größte Herausforderung ist allerdings häufig der fehlende Raum für gemeinsamen Dialog und intensivem Erfahrungsaustausch.

Es gilt: Erfahrung ist praktisches Wissen!

Organisationen, die Nachhaltigkeit ernsthaft umsetzen wollen, bieten allen Beteiligten ausreichend Raum und Zeit. Dabei wird dem gemeinsamen Austausch und den daraus resultierenden Lernerfahrungen ein besonders hoher Stellenwert entgegengebracht. Gemeinsam erlernt die Organisation, Nachhaltigkeit und damit die vorher gemeinsam vereinbarten Organisationsziele erfolgreich umzusetzen. Fehler sind dabei selbstverständlich erlaubt, denn aus Fehlern lernt man. Wichtige Impulse und Ideen werden öffentlich in die gesamte Organisation getragen, um neue Umsetzungsmaßnahmen zu erproben und eventuell für alle auszurollen. Zusätzlich wird die Wirkung der durchgeführten Umsetzungsmaßnahmen stets gemessen und transparent an alle vermittelt, um mögliche Erfolge wirklich spürbar werden zu lassen. Das fördert wirksam die Sinnhaftigkeit und damit die Handlungsmotivation. Eine gute Organisation fördert diesen Entwicklungsprozess, an dessen Ende die tatsächliche praktische Umsetzung von Nachhaltigkeit gelingen kann.

Mögliche Maßnahmen, um ein gezieltes Ausprobieren und Lernen zu ermöglichen sind:

  • Regelmäßige Trainings und Workshops zum Ausprobieren von Initiativen anbieten
  • (Externe und interne) Impulsvorträge organisieren
  • Raum für intensiven Austausch und Erprobung anbieten (z.B.: „Probier-Werkstatt“ oder „Lernzirkel-Treffen“)
  • Reflexionsgruppen einrichten
  • Jährlichen Projekttag organisieren, in dem neue Ideen vorgestellt und erarbeitet werden
  • Ergebnisse regelmäßig messen und kommunizieren / Kennzahlen zur Messung einführen und zum Beispiel im Corporate Responsibility Report publizieren

Hier geht es weiter zur nächsten Folge 10: „Unternehmensexternen Bewusstsein schaffen“

Zur Gast-Autorin:

Seit mehr als 12 Jahren begleitet Lena Carlota Stenger Unternehmen in ihrem Veränderungsprozess, vor allem zu den Fragestellungen im Rahmen von Neufindungen, Restrukturierungen und Integrationen. Mit viel Leidenschaft, Energie und Überzeugung unterstützt sie Führungskräfte und Mitarbeiter, gemeinsame Ziele zu definieren, neue Blickwinkel einzunehmen, und situationsgerechte Umsetzungsprozesse nachhaltig anzustossen. 2012 gründete sie das Beratungsnetzwerk European Strategy & Change Consultants (ESC) in Frankfurt am Main, das hochqualifizierte Experten zu den Themen People Transformation & Change Management, Systemische Impulse & Coaching, Human Resources Management und Business Transformation anbietet.

Über die Serie „Handbuch Nachhaltigkeit: Die gute Absicht praktisch umsetzen“:

Schon lange beschäftigen wir uns privat wie beruflich mit Nachhaltigkeit. Durch die Erfahrungen und die Arbeit als Unternehmensberater ist uns klar geworden, dass es für Unternehmen oft schwierig ist, die gute Absicht praktisch umzusetzen. Wir haben deshalb einen Leitfaden entwickelt, der als Werkzeug für nachhaltiges Handeln dienen soll und den wir hier als Serie veröffentlichen.

Bisher erschienen sind:

Das Nachhaltigkeitshandbuch – Die gute Absicht praktisch umsetzen (Serienstart)

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 1): Definition und Bedeutung

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 2): Zustand und Folgen für Unternehmen

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 3): Suffizienz, Effizienz und der Reboud-Effekt

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 4): Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 5): CSR als effektives Werkzeug

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 6): Das Nachhaltigkeits-Modell für Unternehmen

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 7): Das 3×3 Modell zum praktischen Vorgehen für Unternehmen

Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 8): Phase 1.1 Bewusstsein im Unternehmen schaffen

Artikelbild: picjumbo.com