Natur Unternehmen

Interview: Katja Wiese von Naturefund über Aufforstung, Unternehmen und Naturschutz-Organisationen

Geschrieben von Florian

Katja Wiese, 45 Jahre, hat vor 10 Jahren ihren Kindheitstraum verwirklicht und eine Naturschutzorganisation mit Namen Naturefund aufgebaut. Sie war immer eine Träumerin, die ihren Träumen nachging. Nach dem Abitur 1987 führte ihre erste Reise sie mit einem Schiff von Marseille bis Hongkong, dort reiste sie drei Monate durch China nahm die Transibirsche Eisenbahn von Peking nach Moskau, um schließlich in ihrer Heimartstadt Hamburg wieder anzukommen. Nach dem Studium von Politik und Wirtschaft suchte sie nicht gleich einem Job, sondern heuerte erst einmal auf einer Ranch in Texas an, denn ein weiterer Traum von ihr war, mit einem Pferd über die Prärie zu galoppieren, „so wie Winnetou“, erzählt sie lachend. Ihr größter Traum war und ist jedoch Naturefund oder besser, so viel Land weltweit für die Natur zu kaufen, um dabei mitzuhelfen, Lebensraum für zahlreiche Arten zu sichern.
Foto Sylvie Tricot; Naturbilder von Dr. H. Fried 

 

Jährlich wird weltweit ungefähr die Fläche Englands gerodet. Dadurch werden die dort lebenden Tiere in ihrem Lebensraum beschnitten und ihre Existenz bedroht. Zudem sind Bäume zwingend notwendig, um das von uns Menschen ausgestoßene Kohlenstoffdioxid (CO2), ein relevantes Treibhausgas, zu binden. Ohne das aktive Eingreifen fallen zunehmend Wälder Rodungen zum Opfer. Der Naturefund mit Sitz in Wiesbaden hat die weltweite Aufforstung und den Erhalt von Land für die Natur als Ziel. Grund genug für ein Interview mit Katja Wiese, Geschäftsführung vom Naturefund.

Florian: Danke vorab für Eure CO2-Rechner, die auf nachhaltig-sein.info eingebunden sind. Das Ziel von Naturefund finde ich super. Was bedeutet das inhaltlich für Eure Arbeit? Wie genau pflanzt Ihr die Bäume? Wie sichert ihr den Landerhalt?

Katja:

Ich komme aus dem Marketing und suchte am Anfang nach einem Bild, wie wir die Idee von Naturefund, Land für Natur zu kaufen, einfach vermitteln können. Ich bin in Deutschland geboren und stamme von Seefahrern ab, die um die Welt fuhren. Da ist Deutschland nicht mehr so groß, also dachte ich, wir kaufen 10 x Deutschland für die Natur. Ich weiß, dass klingt etwas vermessen, doch wenn wir genauer hinschauen, handelt sich um 3,5 Mio. km² oder „nur“ 2,3 % der Erdlandfläche. Das muss doch zu schaffen sein, dachte ich mir, vor allem in einer Zeit, wo der Erhalt der Artenvielfalt so wichtig ist. Mit diesem großen Ziel wurde allerdings auch sehr schnell klar, dass wir das niemals alleine schaffen können, geschweige denn so eine Fläche alleine betreuen können: Das ist viel zu aufwendig, viel zu teuer und wir wollen keinen neuen Staat gründen. Also war uns von Anfang an klar, dass wir mit Anderen zusammenarbeiten müssen. Das führt dazu, dass Naturefund Land für die Natur kauft, doch in den meisten Fällen wird eine Naturschutzorganisation vor Ort Eigentümerin. Bei den Aufforstungen ist das genauso. Ein Partner vor Ort übernimmt die Aufforstung und langfristige Betreuung der Waldflächen. Wir sichern das Projekt u. a. über Verträge und Grundbucheintrag ab. Naturefund arbeitet zudem nur mit Organisationen zusammen, die den Schutz der Natur ebenfalls zum Ziel haben. Unser Ansatz ließ ein weltweites Netzwerk von Partnern entstehen, mit dem wir effektiv Natur schützen. Vielleicht sind Netzwerke ohnehin der effektivsten Wege für den Naturschutz?!

Florian: Viele Leute denken, dass Nachhaltigkeit schwer sei und dass sich die anderen – Politiker und Unternehmen – darum kümmern müssen. Ich finde aber es geht uns alle etwas an und jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Anders schaffen wir es nicht. Wie siehst Du das? Was kann Deiner Meinung nach jeder (Privatperson) im Alltag machen? Welche Tipps hast Du?

Katja:

Ich war vor Kurzem auf einem Vortrag bei EUMESAT in Darmstadt, dort werden die Klimasatelliten der EU gesteuert. Thema war die Klimakonferenz in Doha und ihre Folgen. Die Kernaussage war: Die Klimakonferenzen sind wichtig, vor allem für den Austausch zwischen den Staaten. Doch sie reichen bei Weitem nicht aus, um den Klimawandel abzubremsen. Momentan bewegt sich die internationale Gemeinschaft in einer Art Gefangenen-Dilemma, das heißt, wer sich zuerst im Klimaschutz engagiert, verliert. Das Dumme ist nur, wenn sich keiner bewegt, verlieren wir alle. Alle Klimadaten zeigen momentan, dass sich keiner wirklich bewegt und die Menschheit auf das Worst Case-Szenario zusteuert und das viel schneller, als gedacht.

Und doch … das war die andere Aussage, es geht immer noch, wir können immer noch umsteuern, noch ist Zeit, wenn auch nicht mehr viel. Menschen sind kreativ und haben immer vielfältige Lösungsmöglichkeiten. Zwei Gruppen spielen dabei eine entscheidende Rolle, um den Klimawandel doch noch abzubremsen: Die eine Gruppe sind die Unternehmen. Sie müssen erkennen, dass es nicht mehr darum geht, das Meiste zu verdienen, sondern das Schlimmste abzuwenden. Unternehmen können immer noch verdienen, nur Gewinne auf Kosten der Natur müssen unbedingt vermieden werden und es sollte immer etwas abgegeben werden, um Ökosysteme zu stabilisieren. Stabile Ökosysteme sind ohnehin die Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften. Die 2. wichtige Gruppe sind die Menschen und gemeinnützigen Körperschaften. Wenn es ihnen gelingt, öffentlichen Druck aufzubauen, um Emissionen zu mindern und nachhaltiges Leben zu fördern, kann dies einen entscheidenden Impuls auf die Politik haben.

Zusammengefasst geht es darum Emissionen zu mindern und Bäume zu pflanzen. Und das mit so viel Spaß und Kreativität wie möglich.

 

Florian: Gegeben ein Unternehmen nennt sich „nachhaltig agierend“ oder auch beliebt „umweltfreundlich“. Die genaue Bedeutung und Richtigkeit der Worte mal beiseite. Nur den Geschäftsbericht auf FSC-Papier zu drucken reicht nicht aus, um sich „nachhaltig agierend“ zu nennen. Welche Maßnahmen sind für ein solches Unternehmen Deiner Meinung nach Pflicht und welche Kür?

Katja:

Optimal ist es, wenn ein Unternehmen Nachhaltigkeit von innen lebt. Das bedeutet zuallererst, dass Nachhaltigkeit von der Unternehmensführung getragen und gleichzeitig von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gelebt wird. Dabei gibt es wohl so viele Ansätze und Wege, wie es Unternehmen gibt und beginnt mit Emissionsausgleich, Energiesparen, sorgsamer Umgang mit Ressourcen, Bildung von Fahrgemeinschaften, Förderung von Naturschutzprojekten und, und, und. Ein Unternehmen profitiert immer von Nachhaltigkeit. Zum Einen weil es ein Thema in der Gesellschaft ist und die Menschen beschäftigt, im Unternehmen wie auch auf der Kundenseite. Zum Anderen schafft es für alle ein besseres Gefühl und damit eine höhere Identifikation mit dem Unternehmen, wenn achtsam mit der „Welt“ umgegangen wird. Diese Identifikation ist ein wichtiger Schlüssel für Produktivität.

Dabei ist es wie mit allen Maßnahmen, eine schlecht vorbereitete, halbherzig umgesetzte Marketingaktion hat nur wenig Erfolg und verbrennt stattdessen unnütz Geld, Mitarbeiter und Vertrauen. Genauso ist es mit dem Thema Nachhaltigkeit: Wenn Sie diesen Weg gehen wollen, und diese Frage kommt über kurz oder lang auf alle Unternehmen zu, dann bereiten Sie es gut vor, entscheiden Sie eindeutig und denken Sie langfristig. Das Thema Nachhaltigkeit ist für viele Unternehmen auch ein Veränderungsprozess, der dauert und der nicht von heute auf morgen funktioniert.

Und noch etwas … Nachhaltigkeit ist ein Faktor, bei dem es um Achtsamkeit, Integrität und Verantwortung geht, das heißt, um weiche Elemente. Diese lassen sich zum Einen nicht direkt und nicht kurzfristig in Zahlen und Geld messen, ein Kriterium, dass Unternehmen immer noch als Hauptargument für Entscheidungen anführen – auch wenn die meisten Entscheidungen aus dem Bauch getroffen werden, auch in Unternehmen!

Zum Anderen fordern und fördern diese weichen Elemente Charakter und menschliche Reife. Das heißt, bei dem Thema Nachhaltigkeit geht es darum, dass sich der „Homo Oeconomicus“ bewusst wird, dass er Teil ist, eingebunden, und dass er für sein Handeln Verantwortung in einem viel umfassenderen Sinne trägt, als nur für ein wirtschaftliches Unternehmen. Das ist keine romantische Feststellung, es ist in meinen Augen so. Die Zeit heute, der Klimawandel zeigt uns, wenn wir das nicht verstehen, könnte es ganz schön übel ausgehen.

Ich bin Optimistin und liebe Heldengeschichten, wie zum Beispiel die von Frodo und dem Ring. Es wird bestimmt hart, je länger wir warten, um so härter wird es, wir werden viel einsetzen müssen und doch, ich sehe es auch als Abenteuer und Herausforderung. Wir können es schaffen. Wir brauchen nur noch ein paar mehr, die mitmachen …

 

Florian: Ich höre immer wieder, Privatpersonen die Umweltschutzorganisationen schlecht machen, weil es „denen ja auch nur ums Geld geht“ (siehe dazu diesen Beitrag). Aber wie soll es ohne Geld und rein selbstlos funktionieren? Was entgegnest Du auf diesen Vorwurf?

Katja:

Es wird immer Kritik geben, mal ist sie berechtigt, mal nicht. Entscheidend für mich ist weniger die Frage nach dem Geld, sondern vielmehr, wie glaubwürdig und integer eine Organisation ist. Geht sie achtsam mit ihren Mitteln um, mit dem Geld, dem Vertrauen und der ideellen Unterstützung, die ihr entgegengebracht wird oder nicht? Der Grad der Transparenz und die Bereitschaft einer Organisation, für Fehler gerade zu stehen, sind für mich ein guter Indikator. Geld ist ein Mittel von vielen und doch, gerade im Umweltschutz ist Geld unerlässlich, um Projekte umzusetzen. Wenn Du mich fragst, wird viel zu wenig Geld in den Umweltschutz gesteckt. Es ist ein dürftiges Almosen für etwas, dass unser aller Lebensgrundlage ist.

 

Florian: Dazu ein Hinweis

Das Stiftungsvermögen in Deutschland beträgt ca. 100 Mrd. Euro. Laut dem Stiftungsverband unterstützen knapp 2/3 der Stiftungen Soziales, Bildung & Erziehung und Kunst & Kultur. Der Umweltschutz ist mit 5% das Schlusslicht. Mehr dazu finden Sie im White Paper „Stiftungen in Deutschland“.

Florian: Ihr habt Sherport eingeführt. Was steckt dahinter? Welche Zielgruppe sprecht Ihr damit an?

Katja:

Ja, Naturefund hat ein mobiles Login- und Bezahlsystem entwickelt. Wir haben es Sherport genannt in Anlehnung an Sherwood Forest, und die Geschichten von Robin Hood, der den Reichen ihr Geld nahm und es den Armen gab. Statt etwas wegzunehmen, wollen wir einen „Port“, einen sicheren „Hafen“ für alle anbieten. Hier können die Menschen Waren und Informationen tauschen. Wenn Waren getauscht werden, erhebt Sherport eine Nutzungsgebühr beim Händler. Unsere Idee ist nun, einen Teil dieser Nutzungsgebühr für den Schutz der Natur einzusetzen. Und damit hätten wir vielleicht einen Schlüssel, der das dringend benötigte Geld für den Schutz und Erhalt der Natur liefern könnte. Wir diskutieren und träumen oft über die Möglichkeiten. Es scheint uns selbst manchmal vermessen, doch Sherport ist da. Wir stecken mitten in der Testphase und denken, dass wir im Sommer, vielleicht im Herbst damit auf dem Markt gehen können. Stell Dir vor, ein Bezahlsystem für die Natur. Ich glaube, da fangen nicht nur wir an zu träumen …

Unsere Zielgruppe: Natürlich alle, und das weltweit!

 

Florian: Die Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit befindet sich noch am Anfang. Es gibt noch viel zu tun. Immer wieder gibt es Hiobs-Botschaften. Es gibt deutlich mehr Worte als echte Taten. Wie hältst Du Deine Motivation aufrecht? Was gibt Dir die Kraft weiterzumachen? Nichts tun wäre ja einfacher.

Katja:

Kraft, hmm, Naturefund ist mein Kindheitstraum. Diesen Traum zu verwirklichen, jeden Tag ein Stückchen mehr, das macht mich glücklich, das gibt mir viel Kraft. Zudem sehe ich in den vielen, kleinen Schritten, die wir machen, dass es geht, das die Erde sich doch noch drehen kann und wir die Vielfalt und Schönheit der Natur schützen können. Das macht mir Mut. Das ist, glaube ich, ein wenig so, wie wenn Eltern ein Kind bekommen. Eltern fragen nicht mehr, ob und was sie tun sollen, sie machen einfach und nutzen all ihre Kräfte, um dieses Kind großzuziehen. Naturefund ist so etwas wie mein Traumkind.

 

Florian: Welches Projekt braucht aktuell dringend Unterstützung?

Katja:

Uns geht es gut, wir sind in Bewegung und immer mehr Menschen unterstützen unsere Arbeit. Was wir jedoch immer gebrauchen können, sind neue Naturefund-Mitglieder. Sie tragen die Arbeit im Hintergrund. Was auch eine tolle Unterstützung wäre, wenn zwei, drei kleine Webshops Sherport bei sich integrieren, testen und uns helfen, die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen und die Kinderkrankheiten von dem System gleich im Vorfeld zu kurieren Das würde uns aktuell am meisten helfen.

 

Florian: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

 

Artikelbild: morguefile.com

Fotos: Naturefund