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Kinderarmut in Deutschland: Zahlen und Fakten

Geschrieben von Leena

Am kommenden Samstag ist Weltkindertag. Wir wollen das zum Anlass nehmen, einen Blick auf die Kinderarmut in Deutschland zu werfen. Laut dem Deutschen Kinderschutzbund leben über 2,5 Millionen Kinder in Einkommensarmut, das sind rund 19,4 % aller unter 18-Jährigen. Eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böcker-Stiftung hat Zahlen, Fakten und Zustände erfasst – wir wollen die Ergebnisse kurz skizzieren.

 

Was bedeutet „Armut“ in Deutschland?

Armut bedeutet „den Mangel an etwas Wesentlichem“. Im Gegensatz zur absoluten Armut, die auf globaler Ebene zum Tragen kommt, wird in Europa die „relative Armut“ berechnet, die sich an den europäischen Standards bemisst. Die Armut in Deutschland wird durch einen Prozentsatz des „mittleren bedarfsgewichtigen Einkommens“ berechnet(*), das derzeit bei 1500 Euro (Netto) im Monat liegt (vgl. online). Das bedeutet:

  • 60% des nationalen Medianeinkommens ist die Armutsrisikogrenze. Für Deutschland liegt sie bei 900 Euro Netto pro Person.
  • 50% gilt als die Armutsgrenze, also bei 750 Euro Netto.
  • Laut dem Deutschen Kinderschutzbund leben über 2,5 Millionen deutsche Kinder in Einkommensarmut.

 

Die Studie basiert u. a. auf der größten Haushaltsbefragung Europas mit 800.000 Personen. Ziel war, herauszufinden, wie sich Kinderarmut in unterschiedlichen Regionen Deutschlands entwickelt und welche materiellen Folgen die Einkommensarmut für Kinder und Jugendliche hat.

 

Zahlen und Fakten zur Kinderarmut in Deutschland:

Kinderarmut in Deutschland Grafik WSI

  • Das Armutsrisiko von Kindern ist in Bremen mit 33,7 % am höchsten.
  • Generell haben die Regionen im Osten eine höhere Armutsrisikoquote als Regionen im Westen.
  • Armutsgefährdet sind Kinder aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, sowie den Regionen Leipzig, Chemnitz und Berlin.
  • Im Vergleich mit Erhebungen aus dem Jahr 2005 nähern sich die Werte von Ost und West jedoch deutlich an.
  • Positiv sind die Zahlen aus Thürigen: Hier ist die Armutsquote seit 2005 fortlaufend gefallen, von 29,9 auf 21%.
  • Als bedenklich schätzen die Wissenschaftler die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen ein, hier steigt die Quote in den Regierungsbezirken Arnsberg, Düsseldorf, Köln und besonders in Münster.

 

Aber was bedeutet Kinderarmut für das tägliche Leben?

Die Befragung ergab, dass Kindern aus einkommensschwachen Familien aus finanziellen Gründen bestimmte Dinge nicht zur Verfügung stehen:

  • 26,8 % können sich keine neue Kleidung kaufen
  • 30,2% stehen keine ausreichenden Zimmer zur Verfügung
  • 31,1 % können Zahnersatz oder Brillen, die nicht erstattet werden, nicht selbst bezahlen
  • 35% haben kein Auto im Haushalt
  • 37,4% können unerwartete Ausgaben, wie z. B. eine kaputte Waschmaschine, nicht ersetzen
  • 60,5 % verneinten, pro Monat einen Freund zu Hause zum Essen einladen zu können
  • 67,5% haben nicht die finanziellen Mittel, um alte, abgenutzte Möbel zu ersetzen
  • 68,6 % können sich keine Kino-, Konzert- oder Theaterbesuche leisten
  • Einen festen Betrag zu sparen ist für 69,6% unmöglich
  • Für 82,2 % sind Restaurantbesuche nicht möglich
  • 70,5% können sich keinen einwöchigen Urlaub pro Jahr leisten

Auch hier waren die Regionen im Osten stärker betroffen. Es zeigte sich auch, dass es in diesen Familien üblich ist, dass Eltern bzw. Mütter auf Dinge verzichten, um ihre Kinder ausreichend versorgen zu können. Dennoch sind Kinder generell schlechter mit relevanten Gütern versorgt.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass sich die Kinderarmut in Deutschland rückläufig entwickelt, es jedoch starke regionale Unterschiede gibt.

Den kompletten Report gibt es hier.

(*) Auf Nachfrage ergänzend weitere Informationen zur Berechnung des Einkommens und der Armuts(risiko)grenze:

Um die Armutsgrenze bzw. Armutsrisikogrenze zu berechnen, wird das (Netto)Äquivalenzeinkommen verwendet. Im Gegensatz zum Durchschnittseinkommen berücksichtigt das Äquivalenzeinkommen auch unterschiedliche Wohnsituationen (Einzelpersonen vs. Familien) und daraus entstehende Einspareffekte, etwa bei Energie oder Wohnraum, und ermöglicht damit eine bessere Vergleichbarkeit (vgl. Armut.de).

Das Äquivalenzeinkommen bezeichnet „das Einkommen, welches jedem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, wenn es alleinlebend und erwachsen wäre, den gleichen Lebensstandard ermöglichen würde“ (Wirtschaftslexikon), das heißt „die Einkommen aller im Haushalt lebenden Personen [werden] addiert und mithilfe einer Bedarfsskala passend für die Struktur des Haushalts umgerechnet“ (DIW Berlin).

Errechnet wird damit das Nettoeinkommen (nach Abzug aller Abgaben und Steuern), das im Monat pro Kopf fiktiv zur Verfügung steht (vgl. Wikipedia). Das statistische Bundesamt verwendet hier den Begriff „Verfügbares Einkommen“ und berücksichtigt bei der Berechnung weitere Ausgaben (z. B. Importabgaben) oder Einnahmen (z. B. BAföG, Kindergeld, Sozialhilfe, Alg II etc.).

 

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Artikelbild: picjumbo.com

Grafik: WSI