Natur

Britta Wyss Bisang von der Rainforest Alliance über Öko-Siegel, Verantwortung und Entwaldung

Geschrieben von Florian

Landwirtschaft ist ein wesentlicher Treiber für die Entwaldung von Regenwäldern und jährlich für Millionen Tonnen von CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist nicht gut. Und doch wollen wir Menschen täglich Obst und Gemüse aus fernen Ländern auf den Tischen haben. Neben einem verringerten Konsum von exotischen Früchten gilt es auch die Landwirtschaft, die wir betreiben, so nachhaltig wie möglich zu gestalten – für die Umwelt und die Landwirte vor Ort. Diesem Ziel hat sich die Rainforest Alliance verschrieben.

Im Interview ist Britta Wyss Bisang, Chief Sustainable Supply Chain Officer der Rainforest Alliance sowie Chair of Board of Directors der ISEAL Alliance.

 

Verbraucher wollen nachhaltiger einkaufen. Wissentlich, dass es nicht das perfekte Öko-Siegel gibt, helfen diese dennoch bei der Orientierung. Und doch weiß man nicht immer, welche Zertifizierung sich genau dahinter verbirgt. Wie stehst Du aus Verbrauchersicht zu dem Thema Zertifizierungen und Siegel? Worauf kommt es besonders an?

Ich denke, dass Transparenz seitens der Unternehmen einer der wichtigsten Faktoren ist. Sie sind in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und so dabei zu helfen, soziale und umweltbedingte Probleme anzugehen. Das entspricht auch der Erwartungshaltung vieler Verbraucher. Je mehr Informationen ein Unternehmen zugänglich macht, desto vertrauenswürdiger ist es.

Bei zertifizierten Produkten können Unternehmen einfacher als bei konventionellen Produkten darlegen, woher sie stammen und wie sie hergestellt werden. Zudem können sie dadurch Ergebnisse vorlegen, die von unabhängiger Stelle bestätigt wurden. Dank technischer Mittel und Kommunikationskanälen wie Social Media können sich Verbraucher über die Nachhaltigkeit der Lieferketten informieren. Zertifizierung ermöglicht ihnen also einen Blick hinter die Kulissen und trägt zu mehr Glaubwürdigkeit bei.

 

Wie auch Verbraucher haben ebenso Unternehmen eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und den Landwirten. Was sind die größten Herausforderungen für Produzenten in der Landwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung?

Das Einkommen der Farmer hängt stark von den internationalen Preisen und Marktschwankungen ab. Zertifizierungen können sie zwar mit Wissen, Trainings und Möglichkeiten ausstatten, um ihr Einkommen zu verbessern – doch die Verantwortung für einen nachhaltigen Anbau ist noch viel zu einseitig bei ihnen angesiedelt.

Um eine nachhaltige Entwicklung stärker voranzutreiben und Probleme wie Entwaldung, Klimawandel, systemische Armut und soziale Ungleichbehandlung anzugehen, sind Partnerschaften notwendig. Eine verlässliche Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure in der Lieferkette ist unabdingbar. Völlig zu Recht erwarten die Farmer, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet wird. Dazu gehören auch die Produktionskosten und die für eine Zertifizierung notwendigen Investitionen. Hier müssen Unternehmen und alle weiteren Akteure der gesamten Lieferkette mehr Verantwortung übernehmen.

Auch wenn bereits immer mehr Unternehmen sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen und die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN als Maßstab für ihre Arbeit nutzen, ist nach wie vor noch einiges zu tun. Wie ein gemeinsamer Report des WWF und der ISEAL Alliance zeigt, können Nachhaltigkeitsstandards Unternehmen dabei helfen, ihre Umsetzung voranzutreiben und so dazu beitragen, Armut zu beenden, die Erde zu schützen und Wohlstand zu sichern.

 

Wie kann die Digitalisierung bei der Sicherstellung einer transparenten Lieferkette helfen?

Daten sind eines der Schlüsselinstrumente, um positive Veränderungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu bewirken. Mit Mobile-Apps und Drohnen können Daten leichter erhoben und mit denen Dritter abgeglichen werden. Wir testen bei der Rainforest Alliance gerade auch den Einsatz von Drohnen, um zusätzliche Informationen über Anbauflächen zu sammeln. Neue Technologien können außerdem zu Trainingszwecken auf den Farmen eingesetzt werden. Die Rainforest Alliance hat eine Training App für Farmer auf den Weg gebracht, die ihnen Trainingsmodule und -videos bietet. Die Farmer können die App außerdem nutzen, um sich untereinander auszutauschen.

Daneben bietet auch die Blockchain neue Möglichkeiten. Sie wird bereits in ersten Lieferketten der Lebensmittelindustrie eingesetzt, indem sie Transaktionen überprüfbar macht und sie dauerhaft aufzeichnet. Damit lassen sich die Herkunft und der Weg von Produkten nachvollziehen.

Trotz dieser positiven Entwicklungen dürfen wir aber nicht vergessen, dass damit auch neue Herausforderungen einher gehen. Neben dem Datenschutz, der zu gewährleisten ist, stellt die unzureichende Dateninfrastruktur in vielen Ländern noch eine große Hürde dar. Nur durch eine übergreifende Zusammenarbeit, auch mit Regierungen, lassen sich die Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen.

 

Die Rainforest Alliance kenne ich als Logo auf Schokoladen, aber Ihr seid mehr als nachhaltiger Kakao. Um welche landwirtschaftlichen Erzeugnisse kümmert Ihr Euch? Wie unterstützt Ihr die Umwelt und die Landwirte vor Ort?

UTZ und die Rainforest Alliance haben sich im Januar 2018 zur neuen Rainforest Alliance zusammengeschlossen. Als neue Organisation wollen wir gemeinsam zukünftig mit einer noch stärkeren Stimme dringende Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit, Armut und Entwaldung noch effektiver angehen. Die Programme der beiden Partner laufen bis Januar 2019 parallel weiter.

Beide Organisationen leisten seit langem einen positiven Beitrag für Farmer, Wälder, Unternehmen, Verbraucher und unseren Planeten. Die Rainforest Alliance als starke Marke verfügt über eine 30-jährige Expertise bei der Bewahrung von Naturräumen und trägt damit zu nachhaltigeren Lieferketten bei. UTZ hat sich seit 15 Jahren einen Namen damit gemacht, Nachhaltigkeitsarbeit in den Lieferketten skalierbar zu machen. Beide Programme decken in ihren Kriterienkatalogen Themen wie den bewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen, zum Beispiel Wasser, sowie strenge Regeln zu Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung, Versammlungsfreiheit, Mindestlohn und Arbeitssicherheit ab. Sowohl die Rainforest Alliance als auch UTZ haben Programme für Kaffee, Kakao und Tee sowie jeweils Programme für andere Produkte, zum Beispiel Bananen oder Haselnüsse. Die Rainforest Alliance hat Erfahrung mit über 100 Produkten und ist damit in einer Vielzahl von verschiedensten Kontexten beheimatet – während UTZ in weniger Sektoren aktiv ist und diese dafür umfassender ergründen konnte.

 

Neben ihrer Rolle in der Landwirtschaft ist die Rainforest Alliance Mitbegründer des Forest Stewardship Council® (FSC®), dem weltweit größten Standardsetzer für nachhaltige Forstwirtschaft. Wofür steht die Rainforest Alliance auf Forstprodukten?

Produkte, die das FSC-Markenzeichen und das Rainforest Alliance CertifiedTM-Siegel tragen, stammen aus einer Forstwirtschaft, die folgenden fünf Anforderungen entspricht: Sie schützt gefährdete Arten und Wälder mit hohem Erhaltungswert, erhält Flächen als Waldschutzgebiete, sichert Arbeitern angemessene Löhne und Organisationsfreiheit, befolgt FSC-Richtlinien, die festlegen, wie, wann und wo Holz- und Nicht-Holzprodukte geerntet werden können und respektiert die Rechte lokaler und indigener Gemeinden. Es werden rund 33,5 Millionen Hektar Waldfläche gemäß den strengen ökologischen, sozialen und ökonomischen Anforderungen einer Rainforest-Alliance-Zertifizierung bewirtschaftet.

 

Die Rainforest Alliance hat sich mit UTZ zusammengetan. Was bedeutet dies aus Verbrauchersicht?

Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit anderen sind der Schlüssel, um die größten Nachhaltigkeitsherausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit, Armut und Entwaldung anzupacken. UTZ und die Rainforest Alliance haben sich im Januar 2018 zusammengeschlossen, um sie mit gebündelten Kräften noch effektiver anzugehen. 2019 werden wir unser neues, einheitliches Zertifizierungsprogramm veröffentlichen, das unsere Stärken zusammenbringt und auf ihnen aufbaut. Indem wir den Zertifizierungsprozess vereinheitlichen, können Farmer – insbesondere diejenigen, die sowohl UTZ- als auch Rainforest Alliance-zertifiziert sind – effizienter in Nachhaltigkeit investieren.

Davon profitieren die Farmer und Arbeiter sowie die Umwelt – und natürlich auch die Verbraucher. Auf deren Agenda ist das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren ohnehin immer weiter nach oben gerückt. In den größten Industriestaaten der Welt erwarten mittlerweile 91 Prozent der Verbraucher, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen und soziale und umweltbedingte Probleme angehen. Das macht jede Kaufentscheidung auch zu einem Votum für oder gegen ein Unternehmen und dessen Produkte.

 

Was sind aus Sicht der Rainforest Alliance die Zukunftsthemen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung?

Eines der größten Themen, die elementar für eine nachhaltige Entwicklung sind, ist mehr Transparenz in allen Bereichen der Lieferkette. Die Messbarkeit der Unternehmensfortschritte im Bereich Nachhaltigkeit wird für Unternehmen zunehmend wichtiger. Zum einen im Hinblick auf die Verbraucher, die vermehrt Wert auf eine nachhaltige Herstellung von Produkten legen, zum anderen im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben, wie Beispiele aus den USA, Großbritannien oder Frankreich zeigen. Initiativen wie das Accountability Framework, das sich aus einer Koalition führender Umwelt- und Sozialorganisationen (einschließlich der Rainforest Alliance) gebildet hat, können Unternehmen dabei unterstützen. Gleiches gilt für Zertifizierungsprogramme. Auch die Digitalisierung wird hier eine zunehmend wichtigere Rolle spielen.

Neben Transparenz sind es vor allem Partnerschaften und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure auf verschiedenen Ebenen, die wir brauchen, um eine nachhaltige Entwicklung noch stärker zu forcieren. Zertifizierungen leisten auch hier einen positiven Beitrag, indem sie Farmer und Arbeiter mit Märkten und Akteuren der Zivilgesellschaft zusammenbringen. Gleichzeitig dürfen wir uns hierauf nicht ausruhen. Zertifizierungen müssen permanent verbessert werden, um die Nachhaltigkeitsherausforderungen der Gegenwart und der Zukunft so effektiv wie möglich anzugehen.

 

Auf welche Öko-Gütesiegel achtest Du persönlich beim Einkaufen? Welche Tipps kannst Du uns noch mitgeben?

Ich würde als Konsumentin darauf achten, dass ein Unternehmen eine klare Nachhaltigkeitsstrategie hat und sich bemüht, transparent über Fortschritte, aber auch über eventuelle Rückschläge zu informieren. Transparenz in oft komplexen Lieferketten ist eine Herausforderung. Deshalb ist es hilfreich, wenn ein Unternehmen mit einer NGO, wie zum Beispiel einem glaubwürdigen Zertifizierungsstandard, zusammenarbeitet. Eine erhöhte Transparenz und klare Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure sind wichtige Faktoren, um das Vertrauen zu stärken.

Wir arbeiten kontinuierlich mit der ISEAL Alliance daran, einen für alle verbindlichen und verlässlichen Rahmen im Bereich Nachhaltigkeit zu schaffen. Die Organisation agiert weltweit und legt für ihre Mitglieder strenge Regeln für die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstandards fest. Ob eine Organisation Mitglied der ISEAL Alliance ist, kann also durchaus als Indikator für Kaufentscheidungen dienen. Neben der Rainforest Alliance und UTZ gehören zu den Labels, die diesen Anforderungen entsprechen, unter anderem die Better Cotton Initiative (BCI), das Marine Stewardship Council (MSC) oder das Responsible Jewellery Council (RJC).

 

Liebe Britta, herzlichen Dank für das spannende Gespräch. Dir und der Rainforest Alliance wünsche ich weiterhin viel Erfolg.

Hier kann man zertifizierte Produkte mit dem Rainforest Alliance CertifiedTM-Siegel finden.

 

Artikelbilder: Rainforest Alliance