Lebensweise

Wie nachhaltig lebt man wirklich?

Geschrieben von Gast

Ein Gastbeitrag von Alena Wenck:

Ökologisch und nachhaltig leben? Klar doch! Ich drehe die Heizung runter, wenn ich lüfte, kaufe Energiesparlampen und lasse mir zum Frühstück mein tägliches Biomüsli schmecken – so kennt man den Durchschnitts-Deutschen, für den umweltfreundliches Konsumieren kein Widerspruch in sich ist. Es fühlt sich gut an, beruhigt unser Gewissen – und tut nicht mal weh. Da diese Veränderungen aber klein sind, bewirken sie auch kaum etwas. Gewisse Veränderungen in unserem Verhalten, mit denen wir aber tatsächlich unseren ökologischen Fußabdruck drastisch reduzieren können, wagen nur die wenigsten – da sie Verzicht bedeuten, da sie einschränken können, auch wenn sie wirklich wirksam sind.

Ein beispielhafter „grüner“ Tagesablauf

6:45 Uhr: Noch im Halbschlaf nimmst du eine extra kurze Dusche – weniger, weil du wieder einmal zu häufig die Schlummertaste gedrückt hast, sondern weil du Wasser sparen möchtest. Danach gibt’s dein tägliches Frischkornmüsli mit Getreide aus ökologisch nachhaltiger und regionaler Produktion. Darunter mischt du noch einen klein geschnippelten Apfel aus dem Garten deiner Eltern. Er ist nicht nur ungespritzt, sondern schmeckt auch noch viel leckerer als das aus fernen Ländern importierte Obst.

7:30 Uhr: Heute putzt du das erste Mal deine Zähne mit der neuen Wechselkopf-Zahnbürste: Dadurch, dass nur die Borsten ausgetauscht werden, vermeidest du zusätzlichen Abfall. Natürlich vergisst du beim Zähneputzen nie, den Wasserhahn zuzudrehen – Wassersparen kann so einfach sein! Danach machst du dich auf den Weg zur Arbeit – und zwar auf deinem Fahrrad, was gleichzeitig dein tägliches Workout darstellt. Denn ein Auto ist heutzutage nicht nur umweltbelastend, sondern in großen Städten auch unnötig. Lieber fährst du mit Bus, Bahn oder eben mit deinem Fahrrad. Während der Fahrt kreuzen einige Elektroautos deinen Weg: Du findest die Idee des emissionsfreien Fahrens spannend und überlegst, ein Elektroauto auszuprobieren. Was die Mobilität angeht, verzichtest du außerdem bewusst auf Fernreisen mit dem Flugzeug, um deinen CO2 Fußabdruck zu verbessern. Du sparst dir die rund 3,1 Tonnen CO2 für einen Hin- und Rückflug von Berlin nach New York und planst dafür einen regionalen Urlaub vor deiner Haustür: Wandertouren in den schönen Gegenden Deutschlands sind für dich mindestens genauso erfüllend und erlebnisreich zugleich.

8:30 Uhr: Nach deiner Ankunft im Büro befüllst du zunächst deine Glaskaraffe mit gefiltertem Leitungswasser aus dem Wasserspender. Mit Sprudel versetzt oder mit einem Minzblatt verfeinert ist es dein täglicher Arbeitsbegleiter. Nicht nur du freust dich über die leckere, günstige und dazu umweltfreundliche Alternative zum Mineralwasser aus dem Supermarkt, sondern auch euer Office Manager, da er keine Flaschen mehr für die vielen Mitarbeiter schleppen muss. Dein selbst zubereitetes Mittagessen hast du dir wie jeden Tag in der Lunchbox mitgebracht, statt beim Supermarkt um die Ecke teure und mit Unmengen an Müll ummantelte Fertigprodukte zu kaufen. Generell sind alle Lebensmittel, die du kaufst, saisonal und vollständig biologisch – industriell gefertigte Produkte kommen dir nicht in deinen Kochtopf.

17:30 Uhr: Nach Feierabend radelst du kurz in die Stadt. Einige ausrangierte Kleidungsstücke gibst du im Modeladen deiner Wahl ab und bekommst dafür einen Gutschein. Da du letztens günstige Sachen im Second-Hand-Laden entdeckt hast, willst du auch dort mal wieder vorbeischauen. Du kaufst gerne „organic“ und findest gut, dass nachhaltig produzierte Kleidung mittlerweile auch stylisch aussieht. Trotzdem gibst du Acht, Kleidung nur zu kaufen, wenn du welche benötigst – Mehr über die andere Wahrheit über Altkleider. Denn selbst eine nachhaltig produzierte, neue Hose ist immer noch schädlicher für die Umwelt als deine alte Hose, die immer noch passt und gut aussieht. Für deinen Wocheneinkauf fährst du ein paar Minuten weiter, um in den nachhaltigen Supermarkt zu gehen, in welchem du die Lebensmittel lose kaufen kannst. Hier gibt es keine Plastiktüten an der Kasse, die Gurken haben keine Folienverpackung und den Zucker füllst du dir ebenfalls selbst ab. Transportiert werden deine Einkäufe im schicken Jutebeutel, den du sowieso immer dabei hast – nicht, um dein modebewusstes Anderssein zu unterstreichen, sondern weil du ihn einfach überaus praktisch findest und zugleich Plastikmüll vermeidest.

18:30 Uhr: Zu Hause angekommen isst du zunächst die Reste des Abendessens von gestern – die leckeren und aufwändig gekochten Speisen sind viel zu schade, um sie zu entsorgen! Außerdem bist du froh, dass du deinen Fleischkonsum reduzieren konntest – nicht nur, um deinen CO2 Fußabdruck zu verbessern, sondern auch deiner Gesundheit zuliebe: Steaks und Braten müssen nun wirklich nicht jeden Tag sein. Das dreckige Essgeschirr wandert wie immer in deine moderne und effiziente Geschirrspülmaschine. Im Vergleich zum Spülen mit der Hand verbraucht sie weniger Wasser und Energie sowie spart wertvolle Zeit und Arbeit und du liegst schneller mit einem Buch auf der gemütlichen Couch in deinem Wohnzimmer – das TV-Gerät aus deiner früheren Wohngemeinschaft hast du bei deinem letzten Umzug abgeschafft. Weniger ist auch bei Elektrogeräten definitiv mehr! Deswegen wechselst du dein Smartphone wirklich erst dann aus, wenn es kaputt ist und nicht jedes Jahr, wenn dein Mobilfunkanbieter dir für einen Euro ein nagelneues Handy anbietet. Du beschäftigst dich sowieso lieber mit spannenden Büchern, mit denen du dich regelmäßig aus dem offenen Bücherschrank deiner Gemeinde versorgst. Im Gegenzug stellst du deine eigenen gelesenen Bücher ein.

22: 15 Uhr: Vor dem Zubettgehen schaltest du wie immer deine – wenn auch wenigen – elektronischen Geräte, die du nicht mehr brauchst, ab. Energie zu sparen ist dir sehr wichtig – auch deshalb hattest du dich vor zwei Jahren bewusst für den Umzug in eine Wohnung entschieden, die nach dem Niedrigenergie- bzw. Passivhaus-Konzept gebaut ist und eine super Wärmedämmung, Solaranlagen auf dem Dach sowie Ökostrom und Wärmepumpen vereint. Deinen Öko-Strom erzeugst du zudem selber, indem du dich an Wind- und Solaranlagen finanziell beteiligst. Jetzt bist du schon gespannt auf morgen, denn da installiert dein Vermieter die neue Weichwasseranlage. Dank dieser gewinnen nicht nur deine Geräte an Lebenszeit: Auch umweltschädliche Reinigungsmittel für die mühsame Beseitigung hartnäckiger Kalkrückstände im Bad werden dann der Vergangenheit angehören. Apropos leichteres Putzen und Reinigen: Mittlerweile ist auch deine 30 Grad-Wäsche fertig, die du noch schnell zum Trocknen aufhängst. Durch das weichere Wasser wirst du in Zukunft noch weniger Reinigungsmittel benötigen. Und dank der besonderen Ergiebigkeit deines hochkonzentrierten Waschmittels kannst du ohnehin schon niedrig dosieren und benötigst nicht nur weniger Waschmittel, sonst sparst auch noch Geld!

Das Beispiel zeigt

„Modernes“ ökologisches Verhalten gehört für viele von uns schon zum normalen Leben. Zwar nehmen wir viele kleine Dinge unbewusst vor – sei es das Verwenden unserer stylischen Stofftasche oder die tägliche Fahrt zur Arbeit mit der U-Bahn, da man mit dem Auto nur Ewigkeiten im Stau stecken würde. Wenige Maßnahmen, die tatsächlich in größerem Maße zu einer nachhaltigen, ökologischen Lebensweise beitragen, wagen viele Durchschnitts-Deutsche jedoch nicht oder nur bedingt: Weil sie dann wirklich auf Dinge verzichten müssten und sich in gewisser Weise eingeschränkt fühlen würden – etwa, weil Sie nicht die alljährliche Flugreise in die Karibik antreten könnten, Ihr Leben ohne eigenes Auto verbringen müssten, (fast) kein Fleisch verzehren würden und schlichtweg einfach weniger konsumieren dürften.

Wie verwendest du dein CO2 Jahresbudget?

Doch nur eine solche nachhaltige Lebensweise würde unseren Planeten dauerhaft schützen und helfen, der Klimaproblematik entgegenzuwirken. Dies macht allein ein Blick auf die Zahlen unseres CO2-Ausstoßes deutlich: Ein deutscher Bürger verursacht jährlich im Schnitt knapp 11 Tonnen CO2. Laut dem klimaverträglichen Jahresbudget an CO2-Emmissionen, das der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) zusammengefasst hat, stehen jedem Menschen bis 2050, je nach Entwicklung der Weltbevölkerung, etwa 2,7 Tonnen an maximalen CO2-Emissionen pro Jahr zur Verfügung – die übrigens mit dem oben skizzierten Flug Berlin – New York schon aufgebraucht wären.

Ausreden wie diese, dass sich die paar Emissionen des letzten Flugs in die USA locker durch die vegetarische Lebensweise ausgleichen lassen, gelten deshalb nicht. Schon gar nicht, wenn man betrachtet, wie viele Flugzeuge derzeit über uns herumfliegen (Der Himmel ist voll). Um diese große Belastung unserer Umwelt zu reduzieren, bedarf es einer Vielzahl an wirksamen Maßnahmen und zugleich einer sehr großen Anzahl an Menschen, die sie nicht nur durch-, sondern auch umsetzen.

Nachhaltigkeit schließt Genuss nicht aus

Dabei sollte sich jeder einzelne vor Augen führen, dass eine nachhaltige und ökologische Lebensweise auf den ersten Moment zwar eine große Herausforderung darstellt, aber trotzdem sehr erfüllend sein kann. Denn dass sich Nachhaltigkeit und Genuss nicht unbedingt ausschließen, zeigte auch der Ablauf unseres Beispieltages oben. Vielmehr spielen die Gewohnheiten und die Lebenssituation eines jedes Einzelnen eine Rolle. Wer schon in seiner Kindheit viel im Gemüsegarten seiner Eltern mithelfen durfte, hat dadurch einen ganz anderen und viel besseren Bezug zu eigens angebauten und damit saisonalen Lebensmitteln als jemand, der Tomaten als ganzjähriges Gemüse aus dem Supermarkt kennt. Dementsprechend leichter dürfte es ihm fallen, den Schwerpunkt seines nachhaltigen Lebens auf seine Ernährung zu legen. Dennoch reicht es auch nicht aus, Lebensmittel mit „Bio“- und „Öko“-Zertifikaten aus dem Discounter zu kaufen, die fair gehandelt oder fair produziert sind. Im Gegenteil: Ganzheitliche Ansätze sind hier gefordert, die auf Nachhaltigkeit in der gesamten Lebensweise abzielen und tatsächlich wirken – sei es im Bereich der Ernährung oder der Mobilität.

Bewusst nachhaltig leben

Wo wir den Startpunkt für bewussten, nachhaltigen Konsum ansetzen, muss dennoch jeder für sich selbst entscheiden und sich selbst auch in gewisser Weise dazu zwingen – denn nur mit wirklich wirksamen Maßnahmen können wir auch eine nachhaltige Verbesserung unserer CO2-Bilanz bewirken. Mit folgenden Leitfragen hilft der von der Bundesregierung einberufene Rat für Nachhaltige Entwicklung, ein Bewusstsein für die Einflussfaktoren auf eine nachhaltige Konsum- und Lebensweise zu erschaffen:

  • Wo wohne ich? Wie wohne ich? Wo arbeite ich? Und wie komme ich dorthin? Was bedeutet für mich eigentlich Lebensqualität?
  • Was sind meine Konsumvorlieben? Was schmeckt mir wirklich? Welcher Urlaub passt zu mir? Wofür und wie nutze ich ein Auto?

Inwiefern jeder von uns einen bewussten (Nicht-)Konsum ausübt, bleibt damit jedem selbst überlassen. Fest steht: Nur mit wirklich wirksamen Veränderungen können wir unseren CO2-Ausstoss reduzieren und der Klimaproblematik entgegenwirken. Dazu bedarf es der Mithilfe einer großen Menge an Menschen – aller Menschen.

 

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Artikelbild: Unsplash, Anubhav Saxena