Lebensweise

Der Plastikwahn im Bio-Regal

Geschrieben von Leena

Viele Gründe sprechen dafür, auf Plastik zu verzichten. Aber plastikfrei einzukaufen ist leichter gesagt als getan. Fast alles ist in Plastik verpackt, teilweise sogar mehrfach. Wurst, Käse, Nudeln, Tofu, Müsli, Schokolade, Chips. Auch Bio-Produkte, der nachhaltigen Ware. Tomaten in der Papierschale mit Plastikverpackung. Eingeschweißte Gurken. Frische Kräuter in der Kunststoffschale, mit Folie ummantelt. Es gibt zu viel Plastikmüll, viel zu viel und man muss ihn reduzieren! Wie kann man plastikfrei einkaufen? Warum gibt es so viele Plastikverpackungen, wenn es doch auch Alternativen gibt?

Plastik ist ökonomisch gesehen eine praktische Verpackung. Es wiegt weniger als Glas, ist einfacher zu recyceln (bzw. zu verbrennen) und schützt die Produkte besser als Kartons aus Recyclingpapier, in denen sich Mineralölreste befinden.

Besonders widersinnig erscheint die Plastikverpackung bei Bio-Obst und Bio-Gemüse in Supermärkten. Gerade hier, wo beim Anbau auf chemische Dünger und Pestizide verzichtet wird, finden sich so viele Produkte in Plastikfolien! Paradox! Warum eigentlich? Muss das sein? Und ist es da nicht vielleicht nachhaltiger, statt dem Bio-Lauch in Plastikfolie lieber den nicht-biologischen Lauch ohne Kunststoffverpackung zu kaufen?

Darum ist Bio-Gemüse in Plastik verpackt

EU-Verordnung und Verbraucherschutz

Es muss für den Käufer klar erkennbar sein, ob er ein Bio-Produkt kauft oder nicht. Für jedes Bio-Produkt herrscht in der EU eine Kennzeichnungspflicht auf dem Etikett, das die Öko-Kontrollstelle angibt, bei der es geprüft wurde. Bei loser Ware, wie Obst und Gemüse, stehen diese Angaben in den Warenbegleitpapieren. Die Kennzeichnungspflicht soll sicherstellen, dass konventionelle und biolgisch hergestellte Lebensmittel klar unterscheiden werden können.

Verwechslung ausgeschlossen

Was auf dem Papier klar ist, sieht man der Gurke im Supermarktregal nicht an. Hier kommt das Plastik ins Spiel. Supermärkte, die konventionelle und biologische Lebensmittel verkaufen, wollen sicherstellen, dass Bio auch wirklich Bio ist. Konventionelle Ware darf nicht aus Versehen im Bio-Regal landen. Also entschied sich der Handel für das Einschweißen in Plastik. Es macht deutlich, was Bio ist und was nicht. Auch wenn ein Kunde sich am Regal spontan anders entscheidet und die Gurke tauscht, bleibt die Unterscheidung klar erkennbar. Einerseits für den Kunden, andererseits für den Kassierer, erklärt der Einzehandel.

Transport

Längst kommen viele Bio-Produkte aus dem Ausland. Dabei durchlaufen Gurke, Lauch und Brokkoli verschiedene Stationen. Sie werden verpackt, umgepackt, aus Kisten entnommen und in Regale gelegt. Alternativen zur Plastikverpackung haben sich laut Einzelhandel hier nicht bewährt. Sie waren nicht widerstandsfähig genug, wurden beschädigt oder gingen verloren.

Makelloses, frisches Obst und Gemüse

Die Plastikhülle schützt die Produkte, hält sie besser frisch und sorgt für ein makelloses Aussehen. So kann trotz langer Transportewege sichergestellt werden, dass die Kunden-Erwartungen im Markt erfüllt werden. Die Ware bleibt unbeschädigt und sieht frisch aus. Das gilt auch für konventionelle Produkte. Denn Rucola-Salat ohne Plastikverpackung lässt schon am Abend die Blätter schlapp hängen. Das will keiner mehr kaufen, die Ware bleibt im Regal liegen oder wird unter Beschwerden zurückgegeben.

Die Ansprüche des Kunden

Der Kunde verlangt perfekte und sterile Ware, die nicht bereits von fremden Fingern angefasst wurde. Deshalb kaufen Kunden verpackte Ware lieber als unverpackte, so der Einzelhandel. Beobachten lässt sich dies bei Champignons, Paprika oder Salat. Auch das Aussehen spielt eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung. Verdellte Äpfel, zerkratzte Zucchini und verkrüppelte Karotten sind Ladenhüter oder werden schon im Vorfeld bei der Produktion aussortiert. Auch finden sich Berichte, dass sich Kunden über den Klebstoff der Aufkleber auf Gemüse beschwerten. Daraufhin wurden Plastikverpackungen eingeführt. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Und die Verantwortung liegt damit auch im Verhalten des Konsumenten.

„The bigger picture“

Und warum gerade die Bio-Gurke in der Plastikhülle? An der Stelle denkt der Einzelhandel ökonomisch und im Sinne des „großen Ganzen“. Denn es wird immer noch viel mehr konventionelles Obst und Gemüse verkauft als biologisch hergestelltes. Insgesamt wird also dadurch, dass Bio in Plastik verpackt wird, weniger Plastikverpackung verbraucht und weniger Müll produziert. Es ist also insgesamt sparsamer, Bio-Produkte in Kunststoff zu verpacken. Auch wenn es für den Kunden paradox wirkt.

Gibt es Alternativen zur Plastikverpackung?

Alternativlösungen wie Banderolen, Aufkleber oder Netze sind nicht für alle Produkte geeignet. Bei Bananen wurde eine Laser-Kennzeichung auf der Schale getestet. Für Gurken ist diese Methode nicht umsetzbar. Bio-Kunststoff kommt eher selten zum Einsatz, da er die Ware nicht ausreichend schützt. Zudem ist Bio-Plastik längst nicht gleichzusetzen mit Nachhaltigkeit. Denn nicht jeder Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen ist auch wirklich biologisch abbaubar. Und für die Erzeugung braucht es Landflächen, Dünger und häufig Pestizide. Und die Herstellung steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion.

Eine Frage stellt sich hier auch: Ist es eine Alternative, statt der Bio-Gurke im Plastik die konventionelle Gurke ohne Plastik zu kaufen? Bedenken sollte man hier, dass der konventionelle Anbau Boden, Flora und Fauna durch Pestizide und Dünger belastet. Biologische Lebensmittel sind nach Studien des Ökomonitorings Baden-Württemberg gesünder und deutlich weniger mit Schadstoffen belastet.

Was der Einzelne tun kann:

  • Unverpacktes Bio-Obst und Bio-Gemüse kaufen. Das gibt es in Hofläden und auf Wochenmärkten. Oder in Bio-Supermärkten, in denen nur Bio-Produkte verkauft werden, sodass es keine Verwechslungsgefahr geben kann.
  • Auf extra Plastikbeutel verzichten. Obst und Gemüse ist durch seine natürliche Schale bereits verpackt. Auch putzen, waschen und kochen wir die Ware zu Hause eh. Warum also nicht einfach Karotten, Paprika, Tomaten oder Äpfel lose aufs Band legen? Das spart bei jedem Einkauf mehrere kleine Plastiktüten.
  • Auch im Supermarkt hat man bei Obst und Gemüse oft die Wahl: Zitronen, Limetten, Tomaten, Karotten, Kartoffeln etc. gibt es als lose Einzelware oder auch abgepackt im Plastiknetz oder in der Plastikfolie.
  • Gewürze gibt es auch offen und ohne Plastikverpackungen. Alternativ können sie auch selbst auf Balkon, Fensterbank oder im Garten angepflanzt werden. Tipps für den eigenen Balkongarten gibt dieser Artikel.
  • Als Verpackungstüten für Obst und Gemüse können auch alte Zeitungen herhalten. Falt-Anleitungen findet man ganz leicht im Internet.
  • Regionales und Saisonales Obst und Gemüse kaufen. Auch das gibt es in der Bio-Variante, zudem hat es meist keine langen Transportwege hinter sich (weniger CO2-Ausstoß).
  • Neben Obst und Gemüse gibt es im Supermarkt verschiedene Produkt-Alternativen ohne Plastik. Milch, Sahne, Joghurt, Öl, Essig, Ketchup oder Senf kann man auch in Glasflaschen kaufen.

 

Wussten Sie schon, wie viel Plastik sich in unserem Meer und unseren Binnengewässern befindet? Unsere Plastik-Welt in Zahlen zeigt der Artikel mit Infografik.

Einen Saisonkalender für Obst, Gemüse und Salat finden Sie auf diesem Link.

Wie viel Abfall unsere Wegwerfgesellschaft verursacht und welche Bundesländer den meisten Müll produzieren, erfahren Sie in diesem Artikel.

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